Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Lag es an der Hitze, die auch das Reisen im Erste-Klasse-Wagen unerträglich gemacht hatte? Lag es daran, daß er alt wurde? War es gar die Aufregung, die er schlecht vertrug? Strobel weigerte sich, letzteres zu glauben.
    Das Serviermädchen kam und stellte ein Glas Absinth und eine feingeschliffene Wasserkaraffe vor ihm ab. Auf einem Teller daneben lagen Zuckerstücke und ein Löffel, der mehrere Löcher aufwies.
    Mit einem wohlwollenden Lächeln steckte Strobel dem Mädchen einen Geldschein zu. Ob er noch andere Wünsche habe, fragte sie und rieb sich dabei auffällig die Nase.
    Strobel verneinte. Ab und an war er bei seinen Berlinbesuchen einer Prise Kokain nicht abgeneigt, aber an diesem Abend wollte er einen klaren Verstand behalten.
    Â»Gib Santiago Bescheid, daß Friedhelm da ist«, sagte er. Die junge Frau nickte.
    Sorgsam plazierte Strobel zwei Stücke Zucker auf dem Löffel und hielt diesen über sein Glas Absinth. Das Wasser aus der Karaffe war eiskalt, genau so, wie er es mochte. Langsam, fast tropfenweise, schüttete er es über den Zucker und sah zu, wie dieser sich allmählich auflöste.Genauso allmählich spürte er, wie die Spannung, unter der er seit Tagen stand, schwächer wurde.
    Er hatte seine Aufgabe für diesen Tag erfüllt. Seine Berlinreise war nicht umsonst, seine alten Kontakte wieder einmal von großem Nutzen gewesen … Die ersten Schritte zur Umsetzung seines Planes waren in die Wege geleitet.
    Mit einem Grinsen hob Strobel sein Glas, bewunderte die milchige Trübung, die die grüne Flüssigkeit inzwischen angenommen hatte.
    Er prostete sich selbst zu, bevor er den ersten Schluck nahm.
    Auf seinen Plan!

    Ausgerechnet ein Lauschaer Glasbläser war es gewesen, der Friedhelm Strobel die »frohe Nachricht« überbracht hatte.
    Als der Mann, ein Heimgewerbetreibender, der Tischvasen herstellte, seine Ware bei ihm ablieferte, hatte er von seinem Wirtshausbesuch am Vorabend erzählt. Ganz aufgeregt war er gewesen angesichts der Diskussionen, die geführt worden waren, völlig arglos hatte er jedes Detail hinausposaunt.
    Aktienspekulationen? Um den Kaufpreis für die Glashütte doch noch zusammenzubekommen? Friedhelm Strobel glaubte nicht richtig zu hören. Als der Mann jedoch erzählte, daß Wanda Miles bei der ganzen Sache das Sagen hatte, erloschen Strobels Zweifel sofort. Allein wären die Lauschaer auf eine solche Idee nie gekommen! Aber zusammen mit dem Steinmann-Weibsbild …
    Aktienspekulationen – dieses Wort hatte gereicht, um in Strobels Kopf unzählige Rädchen in Gang zu setzen. Er brauchte einen Plan! Einen Gegenplan sozusagen.
    Aber sehr schnell hatte er festgestellt, daß seinebisherigen Informationen nicht ausreichten, um einen tragfähigen Plan entwickeln zu können, der ihm einerseits den Kauf der Hütte garantierte und andererseits dazu geschaffen war, gewissen »Herrschaften« eine Lektion zu erteilen.
    So hatte er die Zähne zusammengebissen und Gerhard Grosse beim nächsten Stammtischtreffen auf die Lauschaer angesprochen.
    Â»Hat sich das also auch schon herumgesprochen, ja? Von wegen Löffelschnitzer hinter den Bergen! Ausgebuffte Geschäftsleute sind das! Ja, ja, daran müssen wir Stadtmenschen uns wohl gewöhnen …« Grosse hatte gelacht. Und noch angefügt, daß Strobel bei dem Kauf der Hütte offenbar doch ernsthafte Konkurrenz bekommen habe.

    Grosse! Dem würde seine Häme auch noch vergehen, schoß es Strobel durch den Kopf. Wie er mit einem falschen Lächeln bedauernd gemeint hatte, weitere Auskünfte könne er leider nicht erteilen. Das Bankgeheimnis, Strobel wisse schon …
    Ja, auch Grosse würde seine Lektion erteilt bekommen.
    Friedhelm Strobel nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas, genoß das leicht Bittere, das seine Kehle hinabrann. Die »Blaue Eule« war für Genüsse aller Art bekannt, und einer davon war Absinth von höchster Qualität. Aber der Abend war noch jung – vielleicht sollte er sich doch noch nach einer weiteren Zerstreuung umsehen?
    Inzwischen hatte sich der Bühnenvorhang gehoben. Eine Tänzerin, die nur ein zartes Tuch um die Hüften gewickelt hatte, begann, sich zur Musik des Pianospielers zu bewegen. Ihre Haut war dünn, fast durchsichtig, an manchen Stellen konnte man deutlich ihre Adern sehen. Strobel fuhr sich mit der Zunge über die

Weitere Kostenlose Bücher