Das gläserne Tor
vielleicht doch versuchen, irgendwie an sie heranzukommen und sie zu fragen.«
Er schüttelte den Kopf. Das Feuerköpfchen war keine Frau, die man einfach bestürmte. Sie mochte ihn, daran gab es keinen Zweifel. Doch sie unterschied sich von den argadischen Frauen viel zu sehr. Bei ihr kam es auf jede Geste und jedes Wort an. Und dabei hatte er den Eindruck, nicht einmal ansatzweise zu verstehen, was in ihrer Hinsicht richtig und was falsch war.
Die ersten Gäste trafen ein, hockten sich an die Tische und rieben sich die müden Augen. Schelgiur wollte aufstehen, doch Anschar hielt ihn am Arm zurück und stand seinerseits auf. »Es wird ohnehin Zeit für mich. War nett, mit dir zu plaudern. Heb mir das Bier auf. Wenn ich überlebe, komme ich heute noch zurück.«
»Wenn dein Herr es erlaubt?«
»Das ist mir dann auch egal.«
»Der letzte Gott möge dir beistehen, auch wenn man nicht
weiß, ob er es kann oder will«, murmelte Schelgiur. »Du wirst siegen.«
»Danke.« Im nächsten Augenblick war Anschar draußen und hastete die Stufen so schnell hoch, dass der ganze Aufbau erzitterte.
Zögerlich öffnete sich auf sein Klopfen die Tür zu Mallayurs Gemächern. Ein alter Leibdiener spähte durch den Spalt, legte den Finger an den Mund und winkte ihn hinein. »Warte«, flüsterte er. »Wie du siehst, ist der König noch beschäftigt.«
Anschar sah es. Und er hörte es. Im Bett, kaum verborgen von dem hauchzarten Vorhang, der den Schlafbereich vom Vorraum trennte, war Mallayur mit Geeryu zugange. Vielmehr sie mit ihm, denn sie hockte auf seinen Hüften und schien darauf zu tanzen. Der Herr von Hersched hatte die Arme zurückgeworfen, die Fäuste in sein Kopfkissen gedrückt und wand sich wie unter Schlägen. Tatsächlich vollführte die Nihaye ähnliche Handbewegungen wie an jenem Tag im Garten, als sie was auch immer mit dem Gelbschwanz getan hatte. Beide waren so versunken in ihr merkwürdiges Spiel, dass sie Anschars Anwesenheit nicht bemerkten. Gegenüber dem Bett stand teilnahmslos Mallayurs Leibwächter. Auch der junge Sklave, der mit seinem Federwedel einen Luftzug über die nackte Haut des Paares schickte, tat so, als sei er blind und taub.
Das wollte Anschar auch tun, doch er fand es durchaus faszinierend, seinen Herrn leiden zu sehen. Mallayur wimmerte, als bereite ihm der Akt Schmerzen. Sein Kopf flog hin und her, sein Körper machte wellenartige Bewegungen. Er flehte Geeryu an, sie möge aufhören. Anschar hoffte, dass sie ihn tötete, aber das war natürlich nicht der Fall. Plötzlich erstarb Mallayurs Flehen mit einem letzten Aufbäumen. Die Nihaye glitt von ihm herunter.
»Oh, war das gut«, keuchte er, kaum Herr seiner Stimme. Mit einem vernehmlichen Räuspern holte ihn der Leibdiener in die Wirklichkeit zurück.
Er wankte auf die Füße und angelte nach einem Mantel auf dem Bettende. Geeryu musste ihm hineinhelfen, so zittrig war er. Dann legte sie seinen Arm um ihre Schulter und führte ihn nach vorne. Leicht gekrümmt blieb er vor Anschar stehen. Seine Versuche, das von ihren Säften glänzende Glied zu bedecken, misslangen.
»Es ist schon spät, oder?«, fragte er heiser und hob die Faust an den Mund, um sich zu räuspern. Anschar verneigte sich, wobei ihm der Geruch, den die beiden verströmten, allzu aufdringlich in die Nase geriet. Geeryus silberne Augen schienen ihn aufspießen zu wollen. Sie drückte die Brüste vor, während sie ihn anstarrte, als suche sie schon das nächste Opfer. Er wollte angewidert den Kopf wegdrehen, aber da gab Mallayur ihr einen Klaps auf das Gesäß, sodass sie zurück ins Schlafgemach schritt.
»Wie fühlst du dich?« Mallayur hatte sich gefasst. Er legte eine Hand auf Anschars Schulter. »Wie ein Sieger?«
Da Anschar verbissen schwieg, ließ er ihn wieder los und ging zu einer Truhe, auf der ein länglicher, in Stoff eingehüllter Gegenstand lag. »Als es die Zweikämpfe noch gab, pflegte man die Waffen mit Opferblut zu besprengen, um die Hilfe eines Gottes herabzubeschwören. Jeder Kämpfer wählte einen der Dreiheit, um ihn anzuflehen.«
»Ich kenne die Geschichten.«
»Natürlich.« Mallayur entfernte das Tuch und ergriff ein Schwert. Schwungvoll hob er es hoch und trug es in der ausgestreckten Hand heran. »Ich habe für dich die Wahl getroffen und dem letzten Gott geopfert. Über dieser Waffe. Geh auf die Knie.«
Kaum hatte Anschar das getan, stellte sich Mallayur hinter
ihn. Ein leichter Druck war im Nacken zu spüren – die Schneide der
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