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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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klatschte ihm das Salz auf den Rücken. Es brannte so fürchterlich, dass Anschar ihm die Faust gegen den Hals hieb. Der Wüstenmann japste und krümmte sich. Einen Lidschlag später war Anschar über ihm, hatte die Leine um seinen Hals geschlungen und zog zu.
    »Nicht …« Parrads Finger versuchten sie zu lockern.
    »Du bringst ihn um«, rief einer der anderen Sklaven. Doch keiner von diesen ausgemergelten Gestalten wagte es, zu Hilfe zu eilen. Anschar ließ los und streifte die Schlinge über Parrads Kopf. Verdammt sollte er sein, wenn er sich zu so etwas hinreißen ließ, nur weil ihn diese Leute anwiderten. Sie konnten nichts dafür, und er auch nicht.
    »Tut mir leid«, presste er heraus. Nach Atem ringend, starrte Parrad zu ihm hoch.
    »Warum bist du hier?«, fragte er, als sich sein Brustkorb weniger heftig hob.
    Weil ich mich zu sehr um eine Frau gesorgt habe, dachte Anschar. Das würde ihm allerdings nie über die Lippen kommen. Nicht gegenüber diesem Mann. »Muss dich nicht kümmern«, sagte er und kehrte ihm den Rücken zu. »Und jetzt reib das verdammte Salz ein. Ich werde mich nicht mehr bewegen.«

    Parrad klopfte auf einen Stapel Felsengrasgarben. Mehrere solcher Stapel lagen in einer langen Reihe nebeneinander. »Die sind schon sortiert. Der hier stammt von unten aus der
Wüste, da wächst nicht nur das widerstandsfähigste Gras, sondern auch das für feinstes weißes Papier. Es sind schon Sklaven gestorben, weil sie nicht aufgepasst haben und das teure Gras zu dem billigen geworfen haben.«
    Anschar verstand nicht ganz, was er damit meinte, aber da ihn das alles im Grunde nicht interessierte, fragte er nicht nach. Als sie die niedrige Lehmziegelhalle betraten, deren Felsboden aus mehreren unterschiedlich großen Becken bestand, begriff er jedoch. In den Becken schwamm eine Brühe, die nach Urin stank. Die Sklaven holten die Garben von den Stapeln und warfen sie in die Becken; andere standen darin bis zu den Knien und traten die Gräser zu Brei, bewacht von mehreren Aufsehern, die notfalls die Peitschen knallen ließen, um sie anzutreiben.
    »Meistens machen sie damit nur Lärm, ohne richtig zuzuschlagen«, erklärte Parrad.
    »So milde sind sie?«, fragte Anschar höhnisch.
    »Keineswegs. Hier pflegt man anders zu strafen. Siehst du das Netz da oben?«
    Es war nicht zu übersehen. Über den Becken war die Halle unüberdacht, so konnte der Gestank entweichen. Stattdessen befand sich dort ein Geflecht aus Grasbändern. »Sieht aus, als wollte man verhindern, dass die Sklaven wegfliegen«, meinte Anschar, was Parrad grinsen ließ.
    »Ja, so ähnlich. Du wirst es schon sehen. Komm.« Er zupfte leicht an der Leine. Das war die Aufforderung zum Weitergehen, also folgte Anschar ihm in die nächste Halle. Hier wurde der gestampfte Brei in Bottichen gekocht. Auch hier gab es kein Dach, dennoch verbiss sich die Luft in die Lungen und trieb die Tränen in die Augen. Anschar hustete und rieb sich über das Gesicht.
    »Daran gewöhnt man sich. Irgendwann. Bis es so weit ist, verreckt man allerdings. Schnell weiter, an den Schöpftischen
ist es besser.« Parrad führte ihn in die nächste Halle; diese war kleiner, und das Atmen fiel leichter. Auf mehreren langen Tischen standen hölzerne Wannen, in denen die Pampe schwamm. Grob stieß Parrad ein Sklavenpaar beiseite und wies Anschar an, den freien Platz einzunehmen. Dann zeigte er ihm die Handgriffe. Schwer sah es nicht aus. Anschar tauchte einen vergitterten Rahmen in die Brühe, schöpfte eine Breischicht heraus und schüttelte sie flach. Dann musste er ein Leintuch darauflegen, den Rahmen möglichst rasch und zugleich geschickt umdrehen und das Tuch abschütteln. Was darauf liegen blieb, war eine dünne grünliche Schicht, aus der ein anderer Sklave das Wasser herauspresste, indem er eine hölzerne Walze darüber rollte.
    »Dumm stellst du dich jedenfalls nicht an«, meinte Parrad, was ihm einen finsteren Blick einbrachte. »Das hatte ich gehofft, denn dann können wir hier arbeiten. Es ist nicht so anstrengend, und die Luft lässt sich wenigstens atmen. Also gib dir Mühe! Je besser wir sind, desto länger können wir bleiben.« Er stellte sich ihm gegenüber auf und hob die Wanne leicht an, um die Leine darunter festzuklemmen, damit sie nicht im Weg war. Trotzdem störte sie und war darüber hinaus zu kurz, sodass der Arbeitsablauf einander angeglichen werden musste. Dies fiel Anschar noch leichter als Parrad, der das seit Langem gewohnt war. Es war im

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