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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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erniedrigen?«
    »Darum geht es nicht allein«, murmelte Parrad. »Siehst du?«
    Anschar sah es. Der Stämmige hatte den anderen in die hinterste Ecke der Hütte gezerrt und auf die Knie gezwungen. Die Sklaven starrten in ihre Näpfe, niemand rührte sich oder sagte ein Wort. Nur der junge Sklave, der zweifellos noch nicht lange hier war, heulte in die Hand, die ihm sein Zwangsgefährte aufs Gesicht drückte. Seine Gesäßbacken spannten sich, als sein Peiniger sie entblößte.
    »Ihr seid Tiere!«, zischte Anschar zu Parrad und drückte ihm den Napf in die Hand. Bevor Parrad etwas erwidern konnte, war er aufgestanden und hatte ihn mit sich auf die Füße gezerrt. Parrad stolperte hinter ihm her, als Anschar zu dem Stämmigen ging und den Unterarm um seinen Hals legte. Er riss ihn herum und stieß ihm die Faust gegen die Nase. Dann tat er einen Schritt zurück. Der Mann brüllte auf, zerrte an seiner Leine und versuchte aufzuspringen. Sein am Boden liegendes Opfer machte das schwierig. In geduckter Haltung funkelte er Anschar an, während er sich das Blut von der Nase wischte.

    »Setz dich wieder hin, Tehrech«, sagte Parrad über Anschars Schulter hinweg. »Der Kerl ist gefährlich.«
    Der Angesprochene hob verächtlich die Brauen und streckte die Hände nach Anschars Hals aus, doch der schlug sie beiseite und gab ihm noch einen Hieb gegen den Hals mit, sodass er röchelnd zu Boden ging.
    Hinter sich hörte er Parrads zischenden Atem. Er fuhr herum. Da stand Fargiur, mit der ausgerollten Peitsche in der Hand.
    »Auseinander, Wüstenpack!«
    »Ich bin Argade!«, schrie Anschar, was vermutlich niemanden interessierte, doch eine solche Beleidigung konnte er nicht schweigend hinnehmen.
    »Schrei mich nicht an, Sklave. Und komm nicht auf den Gedanken, dich gegen mich zu stellen. Ja, ja, ich weiß, du bist Argade und überhaupt etwas ganz Besonderes. Du bist aber auch tot, wenn du gegen mich aufbegehrst. Hat dir Parrad eigentlich schon unsere Richtstätte gezeigt? Wenn nicht, soll er es gleich morgen früh nachholen. Danach findet ihr euch in der großen Halle ein. Deine Schonzeit ist vorbei.«
    Er verließ die Hütte. Mit Genugtuung bemerkte Anschar, dass er es rückwärtsgehend tat. Hinter sich hörte er den jungen Sklaven auf eine Art wimmern, die verriet, dass sein Gefährte wieder mit ihm beschäftigt war. Mit einem Aufschrei packte Anschar die Leine und zerrte Parrad mit sich, während er hinausstapfte. Draußen fiel er auf die Knie, schüttelte wild den Kopf und grub die Finger hinter die Halsschlinge, aber sie ließ sich nicht lockern.
    »Hör auf!« Parrad warf sich auf ihn und versuchte seine Hände wegzudrücken. »Du erwürgst dich ja. Ihr Götter, beruhige dich!«
    Anschar schlang die Leine um Parrads Hals und zog zu. Der Bart seines Zwangsgefährten berührte sein Kinn, die
schwarzen Augen schwebten dicht über ihm. Sie schienen aus den Höhlen zu quellen. Ein Anblick, der Anschar gefiel, doch mit einem Mal entschwand die Anspannung, und er ließ los. Hastig streifte Parrad die Schlinge über den Kopf.
    »Ich fürchte …«, keuchte er und rieb sich den geschundenen Hals. »Ich fürchte, ich habe in dem Gemenge unsere Näpfe verloren.«
    Anschar hob sich auf die Ellbogen. Parrads Napf lag unbeachtet auf dem Boden, während seiner schon geplündert war. »Wie oft kommt es eigentlich vor, dass sich die Sklaven gegenseitig mit ihrer Fessel erwürgen?«
    »Ab und zu passiert das. Komm. Ich zeige dir etwas Erfreulicheres.«
    Anschar ließ es geschehen, dass der andere seine Hand packte und ihn hochzog. Sie gingen an den Hallen vorbei, aus denen es auch jetzt erbärmlich stank, dann an weiteren Schlafhütten, in denen die Sklaven noch aßen oder schon schliefen, und kamen zu einer kleineren Hütte. Dort, so erklärte Parrad, konnte man sich Salz holen, um es allabendlich in die geschundenen Füße zu reiben. Das Ziel jedoch war ein Brunnen. Drei Frauen, gekleidet in schäbige Kittel, schöpften das Wasser und trugen unter den Blicken einiger gelangweilter Wachtposten die Eimer in Richtung der Schlafhütten.
    »Es ist Aufgabe der Frauen, uns mit Wasser zu versorgen. Wenn du Durst hast, sag einer Frau, sie soll dir welches bringen. Siehst du die junge Frau dort, die gerade ihren Eimer gefüllt hat? Merk sie dir, sie ist am willigsten.«
    »Ich kann sie mir nicht merken. Wüstenfrauen sehen alle gleich aus.«
    »Das ist nicht wahr.« Parrad verzog das Gesicht, als hätte er in eine unreife Frucht gebissen. »Du bist

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