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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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Füße hin, damit er sie knetete.
    »Das passiert mir ständig«, seufzte Parrad, nachdem er sich wieder entspannt hatte. »Ihr Sandgeister, wo sind die Frauen? Ich habe Durst!«
    Sie kamen herbeigelaufen, mit Eimern und Lederbalgen. Tehrech, der im benachbarten Becken getreten hatte und jetzt dicht neben Anschar saß, nahm einen Balg an sich und setzte ihn gierig an den Mund. Danach befahl er seinem Leinengenossen, seine Beine abzuwaschen, was dieser gehorsam tat. Erst dann gestattete er ihm, selbst zu trinken. Auf diese Weise, so dachte Anschar, würde der junge Sklave nicht lange überleben.
    Anschar schrak hoch, als er Hände auf seinen Waden spürte. Fast hätte er die Frau mit dem Fuß weggestoßen, aber er besann sich und ließ es über sich ergehen, dass sie ihn anfasste. Sie tat es mit teilnahmslosem Gesicht. Ihre Finger glitten über seine geschundene Haut, während sie mit der anderen Hand das Wasser darüberlaufen ließ. Er versuchte sich vorzustellen, es sei Grazia, die ihn so anfasste. Sie hätte keinen Wasserbalg gebraucht. Sie hätte … Bei allen Göttern, dachte er, nein, er durfte nicht ständig an sie denken.
    »Verschwinde!«, schrie er die Frau an und riss ihr den Lederbalg aus der Hand. Sie prallte zurück, machte große Augen und hastete davon. Anschar wollte den Schlauch öffnen, um zu trinken, aber er schaffte es nicht. Er rollte sich auf den Bauch, barg das Gesicht in den Händen und heulte auf.

    »Ausgerechnet die Frauen anzuschreien, wie kommst du dazu?«, fragte Parrad verständnislos. »Wieso weinst du jetzt?«
    »Er ist Argade«, sagte Tehrech bissig. »Deshalb. Die heulen wie kleine Kinder. Hast du das nicht gewusst?«
    »Ich kenne keine Argaden. Bisher hab ich hier nur …«
    Er verstummte, denn Tehrech spuckte auf Anschars Rücken. Es schien noch schlimmer als alles andere zu brennen. Anschar sprang auf und warf sich auf ihn. Die Leine spannte sich, aber Parrads Gewicht im Nacken hielt ihn nicht auf. Er landete mit Tehrech im benachbarten Becken, tauchte ihn unter und verpasste ihm einen Fausthieb. Auch der junge Sklave war zwangsläufig hineingefallen; er zerrte entsetzt an der Leine und schrie erbärmlich. Tehrech kam auf die Füße. Er spuckte Blut und schlug wild um sich, ohne richtig zu begreifen, wo sich sein Gegner befand. Parrad bekam einen Schlag ab und stürzte der Länge nach in die Brühe. Anschar hörte, wie die anderen Sklaven aus ihrer Starre erwachten und sich um sie scharten. Sie schrien wild durcheinander, offenbar erfreut über die Abwechslung. Er achtete nicht auf sie. Er packte ein Bündel frisch eingestreuten Grases und stopfte es Tehrech ins Maul.
    »Hör auf!«, schrie Parrad über das Gebrüll hinweg. Anschar blieb die Luft weg, als sich die Leine spannte. Mit der Linken schlug er ihm gegen das Kinn, aber nur schwach; es genügte, sich aus Parrads Zugriff zu befreien. Er wollte sich wieder Tehrech widmen, der noch am Gras würgte, da hörte er es knallen. Im nächsten Augenblick breitete sich ein beißender Schmerz quer über seinen Rücken aus.
    Der junge Sklave schrie. Auch er hatte einen Hieb abbekommen. Drei Aufseher standen am Beckenrand und schwangen ihre Peitschen. Wahllos prasselten die Schläge nieder. Anschar stieg aus dem Becken und hob die Hände
zum Zeichen, dass er nachgab. Die anderen folgten seinem Beispiel.
    »Zurück in die Becken, die Pause ist vorbei!«, brüllte Fargiur. Die Sklaven trollten sich, fortgetrieben von den Aufsehern. Allmählich wurde es ruhig. Nur noch Tehrechs Keuchen und das Schluchzen seines Leinengenossen hallten von den Wänden wider. Fargiur deutete mit der Peitsche in das andere Becken, und Anschar und Parrad stiegen hinein.
    »Er hat …«
    »Halt das Maul, Tehrech!«
    Mit sichtlichem Genuss umrundete der Aufseher die beiden Becken. Als er wieder bei Anschar war, fing er ebenso genüsslich an, von einer Grasschlinge, die er am Gürtel trug, ein paar Handbreit abzuwickeln.
    »Nein«, murmelte Parrad, der offenbar wusste, was das bedeutete. »Bitte nicht. Ich konnte nichts dafür!«
    »Er hatte nichts damit zu tun«, sagte Anschar.
    »Er hängt an dir dran, daher hatte er das sehr wohl.« Fargiur zückte ein Messer und schnitt ein Stück ab, das er Parrad reichte. »Du weißt ja, was du zu tun hast.«
    Der Wüstenmann war bleich geworden. Er starrte auf das Stück Seil in seinen Händen. Was immer er damit tun sollte, Fargiur prüfte nicht nach, ob er dem Befehl gehorchte, sondern wiederholte die Prozedur bei

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