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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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interessieren?«
    »Sie hat sonst …«
    »Das Wasser!«, schrie sein Gebieter und stemmte sich aus dem Sessel. »Das Wasser!«
    »Ihr Götter«, murmelte Anschar. »Welches Wasser?«
    »Das, was sie machen kann. Sie trank einen Becher leer. Und füllte ihn kurz darauf wieder. Aus dem Nichts!«
    »Das hast du gesehen?« Anschar hatte das Gefühl, völlig den Faden zu verlieren. Was ging hier vor sich?
    »Ich habe gesehen, dass niemand ihr nachgeschenkt hat. Und dass sie ganz schuldbewusst gewirkt hat, als man sie darauf aufmerksam machte, ihr Becher sei noch voll. Niemand hat es bemerkt, nur ich.« Mallayur trat näher. »Nihayen haben göttliche Fähigkeiten. Nun, was sagst du dazu?«
    Anschar zögerte, da er immer noch nicht verstand. Auf die Idee zu kommen, Grazia könne Wasser aus dem Nichts schaffen, fand er dermaßen abwegig, dass er nur den Kopf schütteln konnte. Er erinnerte sich an das Gerücht, eine Nihaye hause hier im Palast. Wollte der Herr von Hersched etwa Halbgötter um sich versammeln?
    »Ich kann dazu nichts sagen, weil ich nichts weiß.«
    »Dann müssen wir wohl einen Ort aufsuchen, der dir hilft, dich zu erinnern.«
    Das war es also schon mit der Ebenbürtigkeit, dachte Anschar verächtlich. Auf Mallayurs Wink kamen zwei Palastwächter und nahmen ihn in die Mitte. Mallayur ging voraus und schlug einen Weg ein, der über viele Treppenschächte in die Tiefe führte, in einen schmucklosen Trakt des Palastes, in dem es nach Arbeit und dem Schweiß der Sklaven roch. Hier war es dunkel, sodass er einen vorbeieilenden Sklaven
anhielt, eine Lampe zu holen und den Weg auszuleuchten. Sie schritten durch Korridore, an denen sich Vorratskammern reihten. Überall standen hüfthohe Tonkrüge. Eine letzte Treppe folgte, dann eine Tür, die der Sklave öffnete.
    »Der beste Wein lagert hier.« Mallayur wandte sich zu Anschar um. Sein Mundwinkel deutete etwas an, das wohl ein Lächeln sein sollte. »Und das ist doch ein guter Ort, sich mit einem der besten Krieger zu unterhalten.«
    In der Tat standen auch an den Wänden der Felsenkammer, die sie nun betraten, ordentlich beschriftete und versiegelte Tonkrüge. Der Sklave hängte die Laterne an einen Wandhaken und blieb abwartend neben der Kühlwanne stehen. Solche gemauerten Wannen gab es auch im Palast von Argadye und in jedem Gasthaus, das etwas auf sich hielt; Anschar fragte sich nur, was hier und jetzt daran so interessant war, dass Mallayur die Hände auf den steinernen Rand legte und das Wasser betrachtete.
    »Bis zum Rand gefüllt, sehr schön.« Er wirbelte mit der Hand die Wasseroberfläche auf. »Anschar, hast du Durst?«
    Er sprach nicht vom Wein, das war offensichtlich. Auf seinen Wink hin nahmen die beiden Palastwächter ein langes Brett von der Wand und lehnten es an die Wanne.
    »Komm her.« Mallayur winkte Anschar heran. »Es ist keine große Sache, nichts, was dich beunruhigen soll. Stell dich vor das Brett.«
    In Hüfthöhe waren Grasbänder an den Kanten befestigt. Anschar begann zu begreifen, worauf das hinauslief. Als einer der Zehn hatte er gelernt, sich einer Gefahr zu entziehen, noch bevor sie ihn erreichte. Ebenso hatte er gelernt, als ein Sklave seinem Herrn zu gehorchen. Da Madyur ihn nicht bedroht oder gar gequält hatte, waren sich diese Verhaltensweisen nie in die Quere gekommen. Anschar sah sich vor einem Problem, das ihn für einen Augenblick lähmte.

    Mallayur wartete. Anschar entschied sich, zu gehorchen. Augenblicklich band der Sklave seine Handgelenke an die Kanten des Brettes.
    »Was …«
    »Du hast keine Fragen zu stellen.« Mallayur nickte den Wachen zu. »Macht es ihm bequem.«
    Die Männer kippten das Brett nach vorne und schoben es ein Stück über den Wannenrand. Hinter sich hörte Anschar einen der großen Krüge über den Boden kratzen. Das Fußende wurde darauf abgelegt. Grasseile legten sich fest um seine Fußknöchel und fesselten sie ans Brett.
    »Nur, damit du nicht zappelst«, erklärte Mallayur in mildem Ton. »Ich denke, näher muss das Ganze nicht erklärt werden. Eigentlich werden Sklaven ja mit der Peitsche gezüchtigt, aber das hier ist ein guter Ersatz, wenn man keinen aufgerissenen Rücken hinterlassen möchte. Der würde einem der Zehn nicht so gut stehen.«
    Vor allem willst du nicht, dass Madyur irgendwann an mir sehen könnte, was du getan hast, ergänzte Anschar im Stillen die Rede.
    Das Brett reichte nur bis zu seinem Hals. Zwei Handbreit vor seinem Gesicht wartete das Wasser. Trüb war es und

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