Das gläserne Tor
schmutzig von zahllosen Tonkrügen und den Sklavenhänden, die sie hier im Laufe der Zeit hineingestellt hatten, um sie zu kühlen. Jetzt befanden sich nur ein paar schlanke Gefäße darin, die gewöhnlich für die edelsten Weine genutzt wurden.
»Den Wein von den Hängen des Hyregor wirst du leider nicht zu kosten bekommen«, sagte Mallayur anzüglich.
»Das habe ich mir gedacht.«
»Gut. Fangen wir also noch einmal von vorne an. Wer ist diese Frau?«
»Sie heißt Grazia Zimmermann.«
»Ja, so weit waren wir schon.« Mallayur klopfte ungeduldig auf den Rand der Wanne, während er sie umrundete.
»Verzeih, Herr«, sagte Anschar tonlos. »Du wolltest von vorne beginnen, und ich bin ein Sklave, der gehorcht.«
»Du bist, wie es scheint, auch einer, der es wagt, sich über seinen Herrn lustig zu machen. Ich will wissen, wer sie ist! Woher kommt sie, warum hat sie die Fähigkeit einer Nihaye?«
»Ich weiß das alles nicht.«
Der Herr von Hersched kehrte auf der anderen Seite zu ihm zurück. »Du warst Monate mit ihr zusammen. Du hast sie unsere Sprache gelehrt. Und da willst du mir immer noch weismachen, du wüsstest nichts?«
»Ich kann dir etwas über ihr Land sagen, aus dem sie stammt, aber nichts über diese … Wassergeschichte.«
»Die ist aber genau das, was mich interessiert.« Mallayur verschwand aus Anschars Blickfeld. In den nächsten Augenblicken geschah nichts, doch die Stille war verräterisch. Plötzlich setzte sich das Brett in Bewegung, kratzte über den Wannenrand und neigte sich. Anschar blieb gerade noch Zeit, Luft zu holen, dann schwappte das Wasser über ihm zusammen.
Er zwang sich zur Ruhe. Dies war allemal besser als die Peitsche, und Mallayur war sicher nicht daran gelegen, ihn zu ersäufen. Und in der Tat hob sich kurz darauf das Brett. Anschar nahm einen tiefen Atemzug.
»Erzähl mir die Geschichte«, sagte Mallayur ruhig.
»Ich kenne sie nicht.«
Erneut wurde Anschar untergetaucht. Diesmal ein wenig länger. Als er wieder an der Luft war, musste er keuchen. Seine Zöpfe lösten sich, Haare klebten ihm im Gesicht.
»Na gut«, meinte sein Herr in dem immer noch ruhigen Tonfall, den Anschar zutiefst verabscheute. »Vielleicht müssen
wir wirklich einfacher anfangen. Über ihre Heimat hat sie dir einiges erzählst, sagst du? Dann berichte es mir. Was ist das für ein Land und wo liegt es?«
»Es heißt Preußen.« Es gab keinen Grund, das zu verschweigen, dennoch überlegte Anschar vor jedem Wort, ob er Grazia damit irgendwie schaden könnte. »Sie sagte, es sei ein fruchtbares Land, keine Wüste. Und es leidet auch nicht an der Trockenheit.«
»Nicht?«
»Nein, dort klagen die Leute ständig über den Regen.«
»Erstaunlich! Das bedeutet demnach, es ist so weit weg, dass es unberührt vom Fluch der Götter blieb?«
»Es muss so sein, denn dort weiß man nichts von dem Fluch. Dort weiß man sogar nichts über die Hochebene. Über die Wüste schon, aber ich bezweifle, dass diese Wüste gemeint ist. Es ist so weit entfernt, dass man nur einen Mond sehen kann.«
Anschar dachte daran, dass Grazia ihm irgendwann gesagt hatte, sie sei aus einer anderen Welt. Trotz ihrer Andersartigkeit und der seltsamen Dinge, die sie besaß, war er überzeugt, dass dies nur ein anderes Wort für sehr weit weg war. Unmöglich konnte es sich um eine gänzlich andere, ferne Welt handeln. Denn das hieße ja, sie sei denselben Weg gegangen, den die Götter vor Jahrhunderten genommen hatten. Es überforderte seine Vorstellungskraft. Alles das, was gerade geschah, überforderte ihn.
»Gibt es dort Sklaverei?«, fragte Mallayur anzüglich.
»Nein. Sie weiß aber, was das ist.«
»Was haben sie für Waffen?«
»Waffen?«
»Oh, sag nur, darüber weißt du auch nichts.«
»Bei Inar, sie ist eine Frau! Was ist daran verwunderlich?«
Diesmal platschte Anschars Kopf so ruckartig ins Wasser,
dass er keine Luft mehr schöpfen konnte. Und dieses Mal blieb er doppelt so lange unten. Er riss den Kopf hoch, schüttelte ihn und spannte seinen Körper an, um das Verlangen, Atem zu holen, irgendwie zu unterdrücken. Er schrie fast, als er wieder auftauchte, und pumpte rasselnd die kostbare Luft in sich hinein.
»Ein anderer Ton, ja?«, sagte Mallayur dicht an seinem Ohr. »Also?«
»Kriegsschiffe«, keuchte Anschar. Dies war ihm wahrhaftig erst im Wasser eingefallen, auch wenn Mallayur das niemals glauben würde. »Sie hat … kämpfende Schiffe erwähnt.«
»Kämpfende Schiffe«, wiederholte der Herr von
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