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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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»Glaube es oder glaube es nicht, mein Lieber. Aber von dem Tag an war der Mensch wie verwandelt, um nicht zu sagen verhext, und ein Vierteljahr nachher . . .«
    Es war eine kleine Weile still, dann fing der Jüngere wieder an: »Es gibt da einen Büßer, er muß hier irgendwo in der Nähe leben, er soll ganz allein an einer kleinen Quelle wohnen, am Weg nach Gaza, Jose
phus heißt er, Josephus Famulus. Von dem habe ich viel gehört.«
    »So, und was denn?«
    »Er soll schauderhaft fromm sein und namentlich niemals eine Frau ansehen. Wenn je einmal an seinem abgelegenen Ort ein paar Kamele durchkommen, und auf einem hockt ein Weib, so mag es noch so dick verschleiert sein, er wendet den Rücken und verschwindet alsbald ins Geklüft. Es sind viele zu ihm beichten gegangen, sehr viele.«
    »Wird nicht so schlimm sein, sonst hätte ich wohl auch schon von ihm gehört. Und was kann er denn, dein Famulus?«
    »O, man geht eben zu ihm beichten, und wenn er nicht gut wäre und nichts verstünde, so würden die Leute ja nicht zu ihm laufen. Übrigens heißt es von ihm, er sage kaum ein Wort, es gebe bei ihm kein Schelten und Andonnern, keine Strafen und nichts dergleichen, er soll ein sanfter und sogar schüchterner Mann sein.«
    »Ja, was tut er denn dann, wenn er nicht schilt und nicht straft und das Maul nicht auftut?«
    »Er soll bloß zuhören und wunderbar seufzen und das Kreuz schlagen.«
    »Ach was, einen schönen Winkelheiligen habt ihr da! Du wirst doch nicht so töricht sein und diesem schweigsamen Onkel nachlaufen.«
    »Doch, das will ich. Finden werde ich ihn schon, es
kann nicht weit mehr von hier sein. Es stand ja heut abend so ein armer Bruder hier bei der Tränke herum, den frage ich morgen früh, er sieht selber wie ein Büßer aus.«
    Der Alte erhitzte sich. »Laß du deinen Quellenbüßer nur in seiner Grotte hocken! Ein Mann, der bloß zuhört und seufzt und vor den Weibern Angst hat und nichts kann und versteht! Nein, ich werde dir sagen, zu wem du gehen mußt. Es ist zwar weit von hier, noch über Askalon hinaus, aber dafür ist es auch der beste Büßer und Beichtvater, den es überhaupt gibt. Dion heißt er, und man nennt ihn Dion Pugil, das heißt den Faustkämpfer, weil er sich mit allen Teufeln rauft, und wenn einer ihm seine Schandtaten beichtet, dann, mein Guter, seufzt der Pugil nicht und behält das Maul zu, sondern legt los und tut dem Mann den Rost herunter, daß es eine Art hat. Manche soll er verprügelt haben, einen hat er eine ganze Nacht auf nackten Knien in den Steinen knien lassen und ihm dann erst noch auferlegt, vierzig Groschen den Armen zu geben. Das ist ein Mann, Brüderchen, du wirst sehen und staunen; wenn er dich so richtig anschaut, dann schlottert dir schon das Gebein, durch und durch blickt dich der. Da wird nichts geseufzt, der Mann hat es in sich, und wenn einer nicht mehr recht schlafen kann oder schlechte Träume und Gesichte hat und dergleichen, den stellt dir der Pugil wieder in den Senkel, sage ich dir. Ich sage
es dir nicht, weil ich Weiber habe von ihm schwatzen hören. Ich sage es dir, weil ich selber bei ihm gewesen bin. Jawohl, ich selber, so ein armer Tropf ich sein mag, ich habe einst den Büßer Dion aufgesucht, den Faustkämpfer, den Gottesmann. Hingegangen bin ich elend und mit lauter Schande und Unrat im Gewissen, und fortgegangen bin ich hell und sauber wie der Morgenstern, so wahr ich David heiße. Merke dir: Dion heißt er, mit Zunamen Pugil. Den suchst du auf, sobald du kannst, du wirst dein Wunder erleben. Präfekten, Älteste und Bischöfe haben sich bei ihm Rat geholt.«
    »Ja«, meinte der andere, »wenn ich wieder einmal in jene Gegend komme, will ich mir's überlegen. Aber heut ist heut, und hier ist hier, und da ich heut hier bin und da in der Nähe jener Josephus sein muß, von dem ich so viel Gutes gehört habe . . .«
    »Gutes gehört! Was hast du denn an diesem Famulus für einen Narren gefressen?«
    »Es hat mir gefallen, daß er nicht schimpft und wüst tut. Mir gefällt das, muß ich sagen. Ich bin ja kein Zenturio und auch kein Bischof; ich bin ein kleiner Mann und bin eher schüchtern, ich könnte nicht viel Feuer und Schwefel vertragen; ich habe weiß Gott nichts dagegen, wenn man mich eher sanft anfaßt, so ist das nun einmal mit mir.«
    »Das hätte manch einer gern. Sanft anfassen! Wenn du gebeichtet und gebüßt und Strafe auf dich genom
men und dich gesäubert hast, dann meinetwegen, dann ist es vielleicht am Platz, dich

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