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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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sanft anzufassen, aber nicht, wenn du unrein und stinkend wie ein Schakal vor deinem Beichtvater und Richter stehst!«
    »Nun ja, nun ja. Wir sollten nicht so laut sein, die Leute wollen doch schlafen.«
    Plötzlich kicherte er vergnügt vor sich hin. »Übrigens, etwas Drolliges hat man mir von ihm auch erzählt.«
    »Von wem?«
    »Von ihm, vom Büßer Josephus. Also der hat es so im Brauch, wenn einer ihm seine Sachen erzählt und gebeichtet hat, dann grüßt und segnet er ihn zum Abschied und gibt ihm einen Kuß auf die Wange oder auf die Stirn.«
    »So, tut er? Komische Gewohnheiten hat er schon.«
    »Und nun ist er ja so sehr scheu vor den Frauen, weißt du. Da soll einmal eine Hure aus der Gegend in Mannskleidern zu ihm gegangen sein, und er merkt nichts und hört sich ihre Lügengeschichten an, und wie sie mit Beichten fertig ist, verneigt er sich vor ihr und gibt ihr feierlich einen Kuß.«
    Der Alte setzte zu einem heftigen Gelächter an, der andere machte schnell »Bst, bst!«, und nun bekam Josef nichts mehr zu hören als eine Weile noch dies halb erstickte Lachen.
    Er blickte zum Himmel, scharf und dünn stand die Mondsichel hinter den Kronen der Palmen, er
schauerte von der Nachtkälte. Wunderlich wie in einem Zerrspiegel, und doch aufschlußreich, hatte ihm das Abendgespräch der Kamelführer seine eigene Person und die Rolle vor Augen geführt, der er untreu geworden war. Und eine Hure also hatte sich diesen Spaß mit ihm gemacht. Nun, dies war nicht das Schlimmste, wenn auch schlimm genug. Er hatte lange nachzudenken über die Unterhaltung der beiden fremden Männer. Und als er sehr spät endlich einschlafen konnte, konnte er es nur, weil sein Nachdenken nicht vergeblich gewesen war. Es hatte zu einem Ergebnis, zu einem Entschluß geführt, und mit diesem jungen Entschluß im Herzen schlief er tief und ungestört bis zum Tagesanbruch.
    Sein Entschluß aber war eben jener, welchen der jüngere von den beiden Kameltreibern nicht hatte fassen können. Sein Entschluß war, dem Rat des älteren zu folgen und den Dion, genannt Pugil, aufzusuchen, von dem er ja längst schon wußte und dessen Lob ihm heut so eindringlich war gesungen worden. Dieser berühmte Beichtvater, Seelenrichter und Ratgeber würde auch für ihn einen Rat, ein Urteil, eine Strafe, einen Weg wissen; ihm wollte er sich stellen wie einem Vertreter Gottes und willig annehmen, was er ihm verordnen würde.
    Anderntags verließ er schon den Rastplatz, als die beiden Männer noch schliefen, und erreichte an diesem Tag in mühevoller Wanderung einen Ort, den er
von frommen Brüdern bewohnt wußte und von dem aus er auf den üblichen Reiseweg gen Askalon zu gelangen hoffte.
    Bei der Ankunft gegen Abend blickte eine kleine grüne Oasenlandschaft ihn freundlich an, er sah Bäume ragen und hörte eine Ziege meckern, glaubte im grünen Schatten die Umrisse von Hüttendächern zu entdecken und Menschennähe zu wittern, und als er zögernd näher trat, meinte er einen Blick auf sich gerichtet zu spüren. Er blieb stehen und spähte umher, da sah er unter den ersten Bäumen, an einen Stamm gelehnt, eine Gestalt sitzen, einen aufrecht sitzenden alten Mann mit einem eisgrauen Bart und einem würdigen, aber strengen und starren Gesicht, der blickte ihn an und mochte ihn schon eine Weile angeblickt haben. Der Blick des alten Mannes war fest und scharf, aber ohne Ausdruck, wie der Blick eines Mannes, der zu beobachten gewohnt, aber nicht neugierig und beteiligt ist, der die Menschen und Dinge an sich herankommen läßt und sie zu erkennen sucht, sie aber nicht herbeizieht und einlädt.
    »Gelobt sei Jesus Christus«, sagte Josef. Mit einem Murmeln gab der Greis Antwort.
    »Mit Verlaub«, sagte Josef, »seid Ihr ein Fremdling wie ich, oder seid Ihr ein Bewohner dieser schönen Siedlung?«
    »Ein Fremder«, sagte der Weißbärtige.
    »Ehrwürdiger, so könnt Ihr mir vielleicht sagen,
ob es möglich ist, von hier aus auf den Weg nach Askalon zu kommen?«
    »Es ist möglich«, sagte der Alte. Und nun richtete er sich langsam, mit etwas steifen Gliedern, auf, ein hagerer Riese. Er stand und blickte in die leere Weite hinaus. Josef fühlte, daß dieser greise Riese wenig Lust zu einem Redewechsel habe, aber eine Frage wollte er doch noch wagen.
    »Erlaubt mir noch eine einzige Frage, Ehrwürdiger«, sagte er höflich und sah die Augen des Mannes wieder aus der Ferne zurückkehren. Kühl und aufmerksam blickten sie ihn an.
    »Kennt Ihr vielleicht den Ort, wo Vater

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