Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
hatte einen Mundvoll Wirklichkeit geatmet, sonst wäre er nicht hierher gekommen und so lange geblieben; jetzt aber schien er richtig geweckt worden zu sein und reif für den Antritt des langen Weges. Es würde manches Jahr brauchen, um diesem jungen Menschen auch nur Haltung und Atmen richtig beizubringen.
Nur mit diesem Blick, der eine Spur von wohlwollender Teilnahme und die Andeutung einer zwischen ihnen entstandenen Beziehung enthielt, der Beziehung zwischen Meister und Schüler – nur mit diesem Blick vollzog der Yogin die Aufnahme des Schülers. Dieser Blick vertrieb die nutzlosen Gedanken aus des Schülers Kopf und nahm ihn in Zucht und Dienst. Mehr ist von Dasas Leben nicht zu erzählen, das übrige vollzog sich jenseits der Bilder und Geschichten. Er hat den Wald nicht mehr verlassen.
Siegfried Unseld
Hermann Hesse: »Das Glasperlenspiel«
Eine Besprechung aus dem Jahr 1948
Fünf Jahre sind nun vergangen, seit Hesses Glasperlenspiel im Verlag Fretz und Wasmuth in Zürich erschienen ist, nachdem alle Versuche, es in Deutschland zu veröffentlichen, fehlgeschlagen waren. Die deutsche Ausgabe, die der Suhrkamp Verlag in Berlin im Dezember 1946 vorlegte, wurde glücklich vorbereitet durch die Verleihung des Goethepreises an Hermann Hesse. Diese Auszeichnung ist mehr als nur ein Dank, den wir dem Dichter, dem beständigen Mahner und Warner schulden. Sie wirkt gleichsam als Symbol der innigen Verbundenheit, die Goethe und Hesse umschließt. Das Glasperlenspiel wurde zu Recht mit Goethes Wilhelm Meister verglichen; Goethes »pädagogische Provinz« ist im Bezirke Kastaliens Wirklichkeit geworden, ja man darf vielleicht sagen, daß das Glasperlenspiel in der Konzentration seiner Gedanken, in einer fast an Zauber grenzenden Verdichtung feinster psychologischer Studien und in dem durchweg musikalischen, ehrfürchtig-meditativen Ton wohl an Goethes Alterswerk her
anreicht. »Wieder ist es ein abstraktes Buch geworden«, schreibt Hermann Hesse einmal und meint damit die im Jahre 1932 erschienene Morgenlandfahrt . Diesen Morgenlandfahrern, deren »Brüder weniger eine intellektuelle als eine seelische Zucht, eine Pflege der Frömmigkeit und Ehrfurcht« betrieben, widmet Hesse sein neues Buch. Und so will es auch verstanden werden: als letzte Entwicklung Hermann Hesses, als oberste Stufe seines reichen Schaffens, das ohne die unterste nicht das geworden wäre, was es ist. Wer aber Hesses verästelten, abstrakten und oft spekulativen Weg nicht mitzugehen gewillt ist, wem die Weisheit des alten China, die Frömmigkeit des alten Indien nicht vertraut sein mag, wem der Sinn für die großen Dialektiker von Heraklit über Nikolaus von Kues bis Hegel abgeht, der Sinn für die Einheit über den Gegensätzen, der lege dieses Buch beiseite, oder aber er wird in den Chor derjenigen mit einstimmen, die das Werk als skurril-abstrakte Spielerei eines Alternden abtun wollen.
Hermann Hesse schreibt als Krönung seines Lebens jene spezifische Art des deutschen Romans, die mit Parcival beginnt und über den Simplicissimus , Wilhelm Meister , Maler Nolten , Grünen Heinrich zum Doktor Faustus führt. Josef Knecht, die Hauptfigur des Romans, wird als Schüler, Lehrer und Spielmeister gezeigt. Hesse nimmt damit seine früheren literarischen Themen wieder auf ( Narziß
und Goldmund , Unterm Rad ) und führt sie zu einer höheren Stufe; denn der Lebenslauf des Magister Ludi Josef Knecht ist doch nichts anderes als eine Überhöhung all jener Lebensbeschreibungen, die Hesse im Camenzind und im Sid dhartha gibt. Und noch mehr: Da Hesses Werk sich nicht von seinem Leben trennen läßt, erkennen wir in Knechts Lebenslauf das Leben Hermann Hesses, widergespiegelt im Elemente von Dichtung und Wahrheit . Nicht umsonst trägt der Held der Geschichte den Namen »Knecht«, wie sich uns Hesse auch stets als der große Dienende am Reiche des Geistigen zeigt. Hesse zieht in diesem Werk die Summe seines Lebens; staunend und ergriffen zugleich durchwandern wir die Seiten dieses Buches.
Wie uns das Titelblatt unterrichtet, ist Das Glasperlenspiel der »Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften, herausgegeben von Hermann Hesse«. Nach der Widmung an die Morgenlandfahrer folgt ein Motto in altfränkischem Latein. Sowohl die dunklen und geheimnisvollen Worte des Leitspruches wie der Autor Albertus Secundus sind erfunden. Was wollen sie uns wohl sagen? Es scheint mir, als würde uns Hesse
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