Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
unter vielen wächst er in den
Eliteschulen heran. Was den jungen Schüler besonders auszeichnet, ist seine innige Neigung zur Musik. Von seinem Musiklehrer empfohlen, wird Knecht von dem Altmusikmeister des Ordens auf seine Eignung als Glasperlenspieler geprüft. Diese Prüfung – ihre Darstellung gehört zu den reifsten Studien Hessescher Prosa – wird für Knecht zur ersten Berufung. Nicht in einem Examen, das doch nur Fleiß und Verstand feststellen kann, wird der Schüler geprüft, sondern im harmonischen Musikspiel mit dem Musikmeister wird Knecht erwählt und seine Aufnahme in die Schule in Eschholz bestimmt. Der Altmusikmeister – der als einziger des Werkes namenlos bleibt, gleichsam als wolle Hesse damit das Überpersönliche dieser Gestalt dem Leser vor Augen führen – wacht auch weiterhin über die Ausbildung seines Zöglings, der zu den Begabtesten unter seinen Schülern gehört. Als Knechts Eintritt in den Orden bevorsteht, wird er von dem Altmusikmeister eingeladen. Es war dies eine große und seltene Ehre und für Knecht das zweite bedeutende Ereignis seines Lebens. In der Stunde eines beseligenden Zusammenspiels am Klavier führt der Meister den Schüler in die Kunst und Tiefe der Meditation ein; er spricht zu ihm das Wort, das wie ein Leitspruch über Knechts (und Hesses) Leben stehen könnte: »Du selbst sollst aber nie vergessen . . . : unsere Bestimmung ist, die Gegensätze richtig zu erkennen, erstens nämlich als
Gegensätze, dann aber auch als die Pole einer Einheit . . . Jeder von uns ist nur ein Mensch, ein Unterwegs. Er soll aber dorthin unterwegs sein, wo das Vollkommene ist, er soll ins Zentrum streben, nicht an die Peripherie.«
In Waldzell, der höchsten Schule des Ordens, wird Josef Knecht zunächst in die Grundregeln des Glasperlenspiels eingeweiht, bis er dann von Schritt zu Schritt tiefer in das Wesen des Spieles eindringt. Noch einmal wird das Glasperlenspiel beschrieben – diesmal äußerlich – als ein System farbiger Glaskugeln. Gleichsam, als wollte uns ein Zauber vom Wege locken, wird die entsinnlichte Musik des 18. Jahrhunderts besonders betont, bis plötzlich ein Lichtstrahl in das geheimnisvolle Dunkel unserer Vorstellungen dringt und wir begreifen, daß das Glasperlenspiel nur ein Gleichnis ist für jede reife schöpferische Fähigkeit. Dann erkennt man auch im Glasperlenspielmeister Thomas von der Trave die Züge Thomas Manns.
Das Glasperlenspiel
Musik des Weltalls und Musik der Meister
Sind wir bereit in Ehrfurcht anzuhören,
Zu reiner Feier die verehrten Geister
Begnadeter Zeiten zu beschwören.
Wir lassen vom Geheimnis uns erheben
Der magischen Formelschrift, in deren Bann
Das Uferlose, Stürmende, das Leben,
Zu klaren Gleichnissen gerann.
Sternbildern gleich ertönen sie kristallen,
In ihrem Dienst ward unserm Leben Sinn,
Und keiner kann aus ihren Kreisen fallen,
Als nach der heiligen Mitte hin.
Von Josef Knecht hören wir, wie er sich 1 1 / 2 Jahre gänzlich der Musik verschreibt und wie er dann deutsche Philosophie studiert, insbesondere Leibniz, Kant und die deutschen Romantiker, »von denen ihn Hegel weitaus am stärksten anzog«. Auch hier dürfen wir an die Stelle von Knecht Hermann Hesse setzen. Immer wieder werden wir in dem Werk diese Selbstbetrachtungen finden. Dann aber zerreißt ein Mann von außen, Plinio Designori, die Stille von Knechts Studium. Designori ist der chevalereske Vertreter der »profanen« Welt, der Welt außerhalb Kastaliens. Er war ein feuriger, anmutiger Jüngling, mit großen rhetorischen Gaben ausgezeichnet. Mit scharfen Worten läuft er Sturm gegen die hochmütige Geistesaristokratie Kastaliens und wirft dem Orden alle Fehler und die Fragwürdigkeit seiner Existenz im politischen Sinne vor. Im Auftrage der Schule kam es zwischen Knecht und Designori zu einem offiziellen
Streitgespräch. Nach außen hin geht Knecht als der Sieger hervor. In Knechts Innerem jedoch geschieht Merkwürdiges. Während er hervorragend die Belange Kastaliens vertritt und Designori keine Erklärung und nichts an Schärfe schuldig bleibt, wächst in seinem Innern plötzlich eine Unsicherheit gegen seine bisherige Welt, und er erkennt auch Richtiges und Wahres an der Haltung des andern. Jetzt erinnert sich Knecht auch wieder der Worte des Altmusikmeisters. Nun hat auch er seinen Gegenpol gefunden; er hatte von da an, wie der Biograph berichtet, heimlich viel zu leiden. In diesem Gedanken der Polarität müssen wir
Weitere Kostenlose Bücher