Das Glueck Beginnt in Dir
– sie meint nicht eine lange Zeitperiode. Sie ist eine eigene Qualität. Wenn der Mensch sich ganz auf den Augenblick einlässt, kann es sein, dass die Ewigkeit in seine Zeit einbricht. Die Zeit steht dann still. Solche Augenblicke geben einen Geschmack von Ewigkeit. Mystiker und Mystikerinnen haben immer wieder von solchen Erfahrungen von Ewigkeit gesprochen, und jede wirkliche Gotteserfahrung ist auch eine Erfahrung von Ewigkeit. Denn wenn ich mit Gott eins bin, bin ich ganz eins mit allem, was ist. Dann fallen Zeit und Ewigkeit zusammen. In einem Augenblick solchen Einsseins fallen alle Gegensätze zusammen. Wenn ich in der Kontemplation mit Gott eins werde, mit Gott verschmelze, dann hört in diesem Augenblick die Zeit auf. Es ist ein Augenblick reiner Gegenwart. Gegenwart und Zukunft fallen zusammen. Ich denke nicht über Vergangenes nach, ich plane nichts Zukünftiges. Von einem solchen Augenblick können wir oft nicht sagen, wie lange er dauert. Die Zeit steht still, weil Gott selbst uns berührt hat.
Wenn ich ganz im Augenblick bin, wenn ich ganz eins bin mit mir, dann schaue ich hinter den Schleier der Welt, auch hinter den Schleier der Zeit, dann habe ich jetzt schon teil am ewigen Geschmack Gottes, an der Ewigkeit. Wenn wir mit Gott eins werden in der Liebe, dann wird die Zeit aufgehoben, dann ist Ewigkeit mitten in der Zeit, dann bekommt unser Leben mitten in dieser Zeit ewigen Bestand.
23. NOVEMBER :
Ganz Auge, ganz Ohr
In der Sinnlichkeit, in der Erfahrung der Lust mit allen Sinnen, steckt die Sehnsucht nach Ewigkeit. Auch hier meint Ewigkeit keine lange Dauer. Lust kann gar nicht über lange Zeit erfahren werden. Wenn ich mich vergesse, wenn ich ganz aufgehe in dem, was ich tue, was ich fühle, was ich bin, erlebe ich Ewigkeit im Augenblick. Und ich bin gerade dann ganz im Augenblick, wenn ich mich auf eine sinnliche Erfahrung einlasse, wenn ich zum Beispiel ganz Auge bin oder ganz Ohr und nur das eine wahrnehme. Indem ich mich ganz einlasse auf einen Sonnenuntergang oder auf das Hören einer Symphonie, schreite ich über das Geschaffene hinaus und gehe – nach einem Wort von Meister Eckhart – ein «in den Grund, der grundlos ist». Ewigkeit meint den Augenblick, der ganz tief erlebt wird. Lust ist Aufheben der Zeit und Erahnen der Ewigkeit.
24. NOVEMBER :
In der Zeit das Zeitlose
Ewigkeitserleben ist nicht etwas rein Geistiges im Gegensatz zur Materie. In der Materie wird der Geist erfahren, im Raum das Raumlose, in der Zeit das Zeitlose. Ganz im Augenblick zu sein heißt für mich, ganz in meinen Sinnen zu sein.
25. NOVEMBER :
Sehnsucht bezwingt den Tod
Nelly Sachs gab einen Gedichtband heraus mit dem Titel «In den Wohnungen des Todes». Allein aus der Nähe des Todes kann die Sprache der Sehnsucht wachsen. Die Sehnsucht bezwingt den Tod. Sie zerbricht nicht am Tod, sondern steht für den Neuanfang. «Alles beginnt mit der Sehnsucht.» Alles, was geschaffen ist, ist mit dem Stoff der Sehnsucht gefüllt. Von Sehnsucht erfüllt überwindet alles Geschaffene den Tod. Noch vor der Geburt beginnt unser Leben mit der Sehnsucht. Und sie endet nicht im Tod: Hier erfährt sie erst ihre Erfüllung. Denn sie schafft die Begegnung mit dem, der alles neu macht.
26. NOVEMBER :
Ohne Sehnsucht …
Leben ohne Sehnsucht wird starr. Es verliert seine Spannung. Ohne Sehnsucht wird das Leben sinnlos. Es gibt nichts mehr, auf das der Mensch noch zustreben könnte. Wer kein Ziel mehr hat, wird zwar weitergehen, aber orientierungslos sein. Er könnte ebenso gut stehen bleiben. Ob er geht oder nicht, ob er strebt oder nicht, ob er das Tempo beschleunigt oder nicht – alles ist gleichermaßen ohne Sinn. Das Wesen des Menschen besteht darin, seine Seele auszuspannen zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, zwischen den beglückenden und zugleich enttäuschenden Erfahrungen dieser Welt und der Sehnsucht nach absoluter Liebe und Lebendigkeit. Nur indem er das tut, kommt er wirklich zu sich.
27. NOVEMBER :
Mitfühlen
Mit dem anderen Menschen mitfühlen und mitleiden macht die Würde des Menschen aus. Mitleid ist ein Weg echter Menschlichkeit. Der buddhistische Lehrer Thich Nhat Hanh sagt: «Mitgefühl ist die einzige Energie, die uns helfen kann, mit einem anderen Menschen wirklich in Verbindung zu treten. Ein Mensch, der kein Mitgefühl in sich trägt, kann niemals wirklich glücklich sein!» Mitgefühl hebt die Isolierung der Menschen auf, schafft wirkliche Beziehung und adelt den, der es übt. Es ist die
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