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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Rollrädchen fehlte und der deshalb nicht schnell genug nachgab, umzuwerfen.
    In diesem Augenblick trat Roudier ein. Es schien der alten Frau, als sei er sehr viel höflicher als sonst. »Verehrter Herr, verehrte gnädige Frau«, floß es mit lieblichem Wohllaut von seinen Lippen.
    Zudem kamen einer nach dem andern die Stammgäste, der Salon füllte sich. Noch kannte niemand die Ereignisse der Nacht im einzelnen, und alle eilten herbei mit vor Neugier aus dem Kopf quellenden Augen, ein Lächeln auf den Lippen, hergetrieben durch die Gerüchte, die allmählich in der Stadt die Runde machten. Alle diese Herren, die gestern abend bei der Nachricht vom Herannahen der Aufständischen den gelben Salon so überstürzt verlassen hatten, kehrten zurück, summend, neugierig und lästig wie ein Fliegenschwarm, der von einem Windstoß zerstreut worden war. Manche hatten sich nicht einmal die Zeit genommen, ihre Hosenträger anzulegen. Ihre Ungeduld war groß, aber offensichtlich wartete Rougon auf jemanden, ehe er sprechen wollte. Jeden Augenblick sah er besorgt nach der Tür. Eine volle Stunde lang schüttelte man sich bedeutungsvoll die Hände, sprach unbestimmte Glückwünsche aus, flüsterte bewundernd, gab sich einer ohne ersichtlichen Grund verhaltenen Freude hin, die nur eines Wortes bedurfte, um zu Begeisterung zu werden.
    Endlich erschien Granoux. Er blieb, die rechte Hand im zugeknöpften Überrock, ein paar Sekunden auf der Schwelle stehen; sein aufgedunsenes, blasses Gesicht strahlte, und er versuchte vergeblich seine Erregung unter einer Miene großer Würde zu verbergen. Bei seinem Erscheinen trat Stille ein, man spürte, daß etwas Außerordentliches bevorstand. Die Gäste bildeten eine Gasse, und Granoux schritt geradeswegs auf Rougon zu. Er reichte ihm die Hand.
    »Mein Freund«, sprach er, »ich überbringe Ihnen Dank und Anerkennung des Magistrats. Er beruft Sie an seine Spitze, bis unser Bürgermeister uns wiedergegeben wird. Sie haben Plassans gerettet. Wir brauchen in der entsetzlichen Zeit, die wir durchleben, Männer, die wie Sie Klugheit mit Mut verbinden. Kommen Sie …« Granoux, der hiermit eine kleine Ansprache hielt, die er sich auf dem Weg vom Bürgermeisteramt zur Rue de la Banne mühsam ausgedacht hatte, fühlte, wie ihn sein Gedächtnis im Stich ließ.
    Doch von Rührung überwältigt, unterbrach ihn Rougon, drückte ihm die Hände und wiederholte mehrmals:
    »Dank, mein lieber Granoux, ich danke Ihnen vielmals.« Mehr wußte er nicht zu sagen.
    Nun erhob sich ein ohrenbetäubendes Stimmengewirr. Alle stürzten herbei, streckten ihm die Hände hin, überschütteten ihn mit Lobsprüchen und Glückwünschen und befragten ihn gierig. Aber er, bereits jetzt würdevoll wie ein Magistratsbeamter, erbat sich einige Minuten Zeit, um sich mit den Herren Granoux und Roudier zu besprechen. Die Geschäfte gingen vor. Die Stadt befinde sich in einer so gefährlichen Lage! Alle drei zogen sich in eine Ecke des Salons zurück, und dort teilten sie mit leiser Stimme die Macht unter sich auf, während die Stammgäste, die nur wenige Schritte von ihnen entfernt waren, zurückhaltend taten, ihnen aber heimliche Seitenblicke zuwarfen, in denen sich Bewunderung und Neugier mischten. Rougon sollte den Titel eines Präsidenten des provisorischen Magistratsausschusses annehmen, Granoux würde Sekretär werden; was Roudier betraf, so machte man ihn zum Oberbefehlshaber der neu aufgestellten Nationalgarde. Die Herren gelobten einander gegenseitige Unterstützung, deren Zuverlässigkeit jeder Probe standhalten würde.
    Félicité hatte sich ihnen genähert und fragte unvermittelt:
    »Und Vuillet?«
    Sie sahen einander an. Niemand hatte Vuillet gesehen. Rougon verzog beunruhigt ein wenig das Gesicht.
    »Vielleicht hat man ihn mit den andern weggeführt …«, sagte er, um sich selbst zu beruhigen.
    Doch Félicité schüttelte den Kopf. Vuillet sei nicht der Mann, sich fangen zu lassen. Wenn man ihn weder sehe noch höre, so habe er sicherlich etwas Böses vor.
    Die Tür ging auf, und Vuillet trat ein. Er grüßte untertänig mit seinem gewohnten Augenzwinkern und seinem verkniffenen Sakristanslächeln. Dann kam er näher und reichte Rougon und den beiden anderen seine feuchte Hand. Vuillet hatte seine kleinen Angelegenheiten inzwischen ganz allein geregelt. Er hatte sich selber sein Stück Kuchen abgeschnitten, wie Félicité gesagt haben würde. Durch das Guckloch seines Kellers hatte er gesehen, wie die Aufständischen

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