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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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in die Höhe, und sie konnten ihren Vorrat mit großem Gewinn verkaufen.
    Kurze Zeit nach diesem schönen Erfolg zogen sich Puech und Herr Lacamp aus dem Geschäft zurück, froh über die paar Sous, die sie soeben verdient hatten, und von dem Ehrgeiz besessen, als Rentiers21 ihr Leben zu beschließen.
    Das junge Paar, nun allein Herr im Hause, meinte, endlich das Glück an sich gefesselt zu haben.
    »Du hast mein Pech überwunden«, sagte Félicité zuweilen zu ihrem Mann.
    Eine der wenigen Schwächen dieser energischen Natur war, sich von Mißgeschick verfolgt zu glauben. Bis jetzt, behauptete sie, sei ihnen nichts geglückt, weder ihr selbst noch ihrem Vater, trotz aller Anstrengungen. In ihrem südländischen Aberglauben begann sie gegen das Schicksal anzugehen, wie man gegen jemanden von Fleisch und Blut ankämpft, der einen erwürgen will.
    Die Tatsachen sollten ihre Befürchtungen in merkwürdiger Weise bald rechtfertigen. Das Pech kam unerbittlich wieder. Jedes Jahr erschütterte ein neues Unglück das Haus Rougon. Der Bankrott eines anderen brachte sie um einige tausend Francs, die Wahrscheinlichkeitsrechnungen über die Ergiebigkeit der Ernten erwiesen sich infolge unglaublicher Umstände als falsch, die sichersten Spekulationen schlugen jämmerlich fehl. Es war ein ununterbrochener, erbarmungsloser Kampf.
    »Nun siehst du wohl, daß ich unter einem schlechten Stern geboren bin«, sagte Félicité bitter.
    Und dennoch setzte sie den Kampf fort, rasend, weil sie nicht verstand, warum sie, die bei der ersten Spekulation einen so guten Riecher gehabt hatte, ihrem Mann jetzt nur noch erbärmliche Ratschläge gab.
    Ohne die verbissene Ausdauer seiner Frau hätte Pierre, völlig entmutigt und weniger zäh, schon zwanzigmal das Geschäft aufgelöst. Sie wollte reich werden. Sie sah ein, daß ihr Ehrgeiz nur auf Reichtum aufbauen konnte. Mit einigen hunderttausend Francs würden sie die Herren der Stadt sein, sie würde ihrem Mann einen wichtigen Posten verschaffen, sie würde herrschen. Wie sie es zu Ehren und Ansehen bringen sollten, machte ihr keine Sorge; für diesen Kampf fühlte sie sich wunderbar gerüstet. Dagegen verließ ihre Kraft sie vor den ersten Talersäcken, die es zu erwerben galt. Während die Kunst der Menschenbehandlung keine Schrecken für sie barg, empfand sie eine Art ohnmächtiger Wut angesichts der Hundertsousstücke, dieser leblosen, silbernen und kalten Münzen, über die ihr ränkevoller Geist keine Macht hatte und die sich ihr so sinnlos verweigerten.
    Der Kampf dauerte länger als dreißig Jahre. Als Puech starb, war das ein neuer Keulenschlag. Félicité, die auf eine Erbschaft von etwa vierzigtausend Francs rechnete, erfuhr, daß der alte Egoist, um seinen Lebensabend behaglicher zu verbringen, sein kleines Vermögen in Leibrenten22 Angelegt hatte. Daraufhin wurde sie krank. Sie verbitterte nach und nach, wurde trockener und schriller. Wenn man sah, wie sie von morgens bis abends um die Ölkrüge herumwirbelte, hätte man meinen sollen, sie glaubte, dadurch, daß sie unaufhörlich herumschwirrte wie eine aufgescheuchte Fliege, den Verkauf beschleunigen zu können. Ihr Mann hingegen wurde schwerfälliger, das Pech machte ihn fett, massiger und schlaffer. Trotzdem brachten diese dreißig Jahre des Ringens sie nicht zur Strecke. Bei jedem Jahresabschluß kamen sie gerade so hin; hatten sie während der einen Saison Verluste, so glichen sie das in der folgenden wieder aus. Gerade dieses Leben von der Hand in den Mund brachte Félicité zur Verzweiflung. Ein richtiger, anständiger Bankrott wäre ihr lieber gewesen. Dann hätten sie vielleicht ihr Leben neu anfangen können, anstatt sich im unendlich Kleinen aufzureiben, sich abzurackern, um nur das Allernotwendigste zu verdienen. In drei Jahrzehnten legten sie keine fünfzigtausend Francs zurück.
    Es muß gesagt werden, daß gleich in den ersten Jahren ihrer Ehe eine zahlreiche Familie bei ihnen heranwuchs, die auf die Dauer zu einer recht schweren Last wurde. Félicité erwies sich, wie manche kleine Frauen, von einer Fruchtbarkeit, die man ihrem schwächlichen Körperbau niemals zugetraut hätte. Innerhalb von fünf Jahren, von 1811 bis 1815, bekam sie drei Buben, alle zwei Jahre einen. Während der vier folgenden Jahre schenkte sie noch zwei Töchtern das Leben. Nichts läßt Kinder besser gedeihen als das ruhige, tierhafte Leben in der Provinz. Die beiden Jüngsten waren dem Ehepaar recht unwillkommen; Töchter werden, wenn die

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