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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gelehrten Welt ein sehr bekannter und sehr beachteter Mann war. Wenn man ihn am Sonntag zu einem Ausflug in die Berge der Garrigues aufbrechen sah, eine Botanisiertrommel um den Hals und den Geologenhammer in der Hand, dann zuckte man die Achseln und verglich ihn mit diesem oder jenem Arzt der Stadt, der so schöne Krawatten trug, so honigsüß mit den Damen redete und dessen Anzug immer ein köstlicher Veilchenduft entströmte. Auch von seinen Eltern wurde Pascal nicht besser verstanden. Als Félicité sah, auf welch seltsame und dürftige Weise er sich sein Leben einrichtete, war sie ganz bestürzt und warf ihm vor, daß er sie um ihre Hoffnungen betröge. Sie, die Aristides Trägheit duldete, weil sie sie für fruchtbar hielt, konnte nicht ohne Zorn die bescheidene Lebensweise Pascals sehen, seine Liebe für das Unauffällige, seine Mißachtung des Reichtums, seinen festen Entschluß, sich abseits zu halten. Dieses Kind würde bestimmt niemals ihre Eitelkeit befriedigen!
    »Aber woher stammst du eigentlich?« sagte sie manchmal zu ihm. »Du gehörst gar nicht zu uns. Sieh deine Brüder an, sie versuchen doch wenigstens, aus der Ausbildung, die wir ihnen geben ließen, Nutzen zu ziehen. Du, du machst nichts als Torheiten. Du lohnst es uns wirklich schlecht, daß wir uns zugrunde gerichtet haben, um dich großzuziehen. Nein, du gehörst nicht zu uns.«
    Pascal, der stets lieber lachte, als daß er sich ärgerte, antwortete heiter und mit feinem Spott:
    »Laß gut sein und beklage dich nicht, ich habe keinesfalls die Absicht, euch gänzlich bankrott zu machen. Ich werde euch alle umsonst behandeln, wenn ihr einmal krank seid.«
    Übrigens besuchte er, ohne den geringsten Widerwillen an den Tag zu legen, seine Familie nur selten, womit er unwillkürlich seiner persönlichen Neigung gehorchte. Bevor Aristide in die Unterpräfektur eingetreten war, hatte er ihn mehrmals unterstützt. Er war Junggeselle geblieben. Er hatte nicht einmal eine Ahnung von den ernsten Ereignissen, die sich vorbereiteten. Seit zwei oder drei Jahren beschäftigte er sich mit dem großen Problem der Vererbung, stellte Vergleiche zwischen den Tierarten und dem Menschen an und vertiefte sich in die merkwürdigen Ergebnisse, zu denen er gelangte. Die Beobachtungen, die er an sich selber und an seiner Familie gemacht hatte, bildeten gewissermaßen den Ausgangspunkt seiner Studien. Das einfache Volk begriff mit einem unbewußten Einfühlungsvermögen so gut, wie sehr er von den Rougons verschieden war, daß man ihn einfach »Herr Pascal« nannte, ohne je den Familiennamen hinzuzufügen.
    Drei Jahre vor der Revolution von 1848 gaben Pierre und Félicité ihr Geschäft auf. Das Alter kam näher, sie hatten beide die Fünfzig überschritten und waren des Kämpfens müde. Angesichts ihrer geringen Erfolge fürchteten sie, noch an den Bettelstab zu kommen, wenn sie nicht nachgäben. Ihre Söhne hatten ihre Hoffnungen enttäuscht und ihnen dadurch den Gnadenstoß versetzt. Jetzt, da sie daran zweifelten, jemals durch sie reich zu werden, wollten sie sich wenigstens ein Stück Brot für ihre alten Tage sichern. Sie zogen sich mit etwa vierzigtausend Francs zurück. Diese Summe warf jährlich zweitausend Francs Zinsen ab, gerade genug, um das kärgliche Leben in der Provinz zu bestreiten. Glücklicherweise waren sie jetzt allein, denn es war ihnen gelungen, ihre Töchter Marthe und Sidonie zu verheiraten, die eine nach Marseille, die andere nach Paris.
    Nach der Auflösung ihres Geschäfts wären sie gern in die Neustadt gezogen, das Viertel der Kaufleute, die sich zur Ruhe gesetzt haben, aber sie wagten es nicht. Ihr Einkommen war zu bescheiden, sie fürchteten dort keine gute Rolle zu spielen. Als eine Art Ausgleich mieteten sie eine Wohnung in der Rue de la Banne, jener Straße, die die Altstadt von der Neustadt trennt. Da ihre Behausung in der Häuserzeile lag, welche die Altstadt abgrenzt, wohnten sie allerdings noch im Stadtviertel des gemeinen Volkes, aber sie sahen doch von ihren Fenstern aus, nur wenige Schritte entfernt, die Stadt der reichen Leute; sie waren auf der Schwelle zum gelobten Land.
    Ihre im zweiten Stockwerk gelegene Wohnung bestand aus drei großen Zimmern, daraus hatten sie ein Eßzimmer, einen Salon und ein Schlafzimmer gemacht. In der ersten Etage wohnte der Hausbesitzer, ein Stock und Schirmhändler, dessen Laden das Erdgeschoß einnahm. Das Haus war schmal und wenig tief und hatte nur zwei Stockwerke. Als Félicité einzog,

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