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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unsere Stadt einzuziehen?« rief der Kommandant. »Ich schwöre Ihnen, daß binnen einer Stunde der Bürgermeister und alle Beamten festgenommen sind, selbstverständlich auch Ihr Mann und alle Stammgäste dieses Salons.«
    Der Marquis glaubte, ein schwaches Lächeln über Félicités Lippen huschen zu sehen, als sie mit entsetzter Miene antwortete:
    »Glauben Sie wirklich?«
    »Bei Gott«, gab Sicardot zurück, »die Republikaner werden nicht so dumm sein, die Feinde in ihrem Rücken zu lassen. Morgen wird Plassans seine sämtlichen Beamten und getreuen Bürger los sein.«
    Bei diesen Worten, die sie geschickt herausgefordert hatte, ließ Félicité den Arm ihres Mannes fahren. Pierre machte keinerlei Anstalten mehr, zu gehen. Dank seiner Frau, deren kluger Schachzug ihm übrigens entgangen war und deren geheime Mitarbeit er keinen Augenblick auch nur ahnte, stieg ein vollständiger Feldzugsplan in ihm auf.
    »Man müßte gut überlegen, ehe man einen Entschluß faßt«, sagte er zum Kommandanten. »Meine Frau hat vielleicht gar nicht so unrecht, wenn sie uns vorwirft, daß wir die wirklichen Interessen unserer Familien vergessen.«
    »Nein, wahrlich, Frau Rougon hat keineswegs unrecht«, pflichtete jetzt Granoux bei, der Félicités Entsetzensschreie mit dem Entzücken eines Feiglings angehört hatte.
    Der Kommandant drückte sich mit einer energischen Bewegung den Hut in die Stirn und sprach mit klarer Stimme: »Recht oder Unrecht, darauf kommt es nicht an. Ich bin Kommandant der Nationalgarde und müßte schon auf dem Bürgermeisteramt sein. Geben Sie doch zu, daß Sie Angst haben und mich allein lassen … Also dann, guten Abend!«
    Als er die Türklinke faßte, hielt ihn Rougon hastig zurück.
    »Hören Sie, Sicardot«, begann er. Und er zog ihn in eine Ecke, weil er sah, daß Vuillet die großen Ohren spitzte. Dort erklärte er ihm leise, daß es eine gute Taktik sei, einige tatkräftige Männer, die die Ordnung in der Stadt wiederherstellen könnten, im Rücken der Aufständischen zurückzulassen. Und als sich der wild gewordene Kommandant darauf versteifte, nicht von seinem Posten zu weichen, bot er ihm an, sich an die Spitze des Reservekorps zu stellen. »Geben Sie mir«, sagte er, »den Schlüssel zum Schuppen, in dem die Waffen und die Munition lagern, und befehlen Sie ungefähr fünfzig Mann von unseren Leuten, sich nicht von der Stelle zu rühren, bis ich sie rufen lasse.«
    Sicardot stimmte schließlich diesen Vorsichtsmaßnahmen zu. Da er einsah, daß Widerstand im Augenblick zwecklos war, vertraute er Rougon den Schlüssel zum Schuppen an, sich selbst aber wollte er trotzdem nicht schonen.
    Während dieser Unterhaltung flüsterte der Marquis mit verschlagenem Gesicht Félicité einige Worte ins Ohr. Sicherlich beglückwünschte er sie zu ihrem geschickten Trick.
    Die alte Frau konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. Und als Sicardot Rougon die Hand reichte und sich zum Gehen anschickte, fragte sie, wiederum mit verstörter Miene:
    »Sie verlassen uns also doch?«
    »Niemals«, antwortete er, »wird sich ein alter Soldat Napoleons durch den Pöbel einschüchtern lassen.«
    Er war schon auf dem Treppenabsatz, als ihm Granoux nachstürzte und ihm zurief:
    »Wenn Sie auf die Bürgermeisterei gehen, dann berichten Sie dem Bürgermeister, was vorgeht. Ich eile zu meiner Frau, um sie zu beruhigen!«
    Félicité neigte sich nun ihrerseits zum Ohr des Marquis und murmelte mit verhaltener Freude: »Weiß Gott, mir ist es ganz recht, wenn sich dieser Teufelskerl von Kommandant einsperren läßt. Er ist allzu eifrig.«
    Unterdessen hatte Rougon Herrn Granoux wieder in den Salon gezogen. Roudier, der von seiner Ecke aus die Vorgänge stillschweigend verfolgt und mit energischem Kopfnicken alle vorgeschlagenen Vorsichtsmaßnahmen gutgeheißen hatte, gesellte sich zu ihnen. Als sich der Marquis und Vuillet ebenfalls erhoben, sagte Pierre:
    »Jetzt, da wir unter uns sind, lauter friedliebende Menschen, schlage ich vor, daß wir uns alle verbergen, um der sicheren Gefangennahme zu entgehen und frei zu sein, wenn wir wieder die Stärkeren sind.«
    Granoux hätte ihn fast umarmt, Roudier und Vuillet atmeten auf.
    »Ich werde Sie sehr bald nötig haben, meine Herren«, fuhr der Ölhändler in wichtigem Ton fort. »Uns bleibt die Ehre vorbehalten, die Ordnung in Plassans wiederherzustellen.«
    »Sie können auf uns zählen«, rief Vuillet mit einer Begeisterung, die Félicité beunruhigte.
    Die Zeit drängte.

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