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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Freund ist einverstanden!«
    Tatsächlich erklärte sich Antoine einverstanden, wenn auch mit verdrießlichem Gesicht. Er spürte, daß er mehr nicht erreichen könnte. Man einigte sich dahin, daß Pierre tags darauf Geld und Kleidung schicken würde und daß sich Antoine nach wenigen Tagen, sobald Félicité eine Wohnung für ihn gefunden habe, dort einrichten könne. Als die beiden den Laden verließen, war der Betrunkene, der den jungen Mann begleitete, ebenso ehrerbietig, wie er vorher unverschämt gewesen war; mehr als zehnmal grüßte er das Ehepaar unterwürfig und linkisch und stammelte unklare Dankesworte, als seien die Gaben Rougons für ihn bestimmt.
    Eine Woche später bewohnte Antoine ein großes Zimmer in der Altstadt, in das Félicité, über ihr Versprechen hinaus, ein Bett, einen Tisch und einige Stühle hatte stellen lassen, nachdem der junge Mann ausdrücklich gelobt hatte, sie in Zukunft nicht mehr zu belästigen. Adélaïde sah ihren Sohn ohne jedes Bedauern ziehen; sein kurzer Besuch bei ihr verurteilte sie zu mehr als drei Monaten Wasser und Brot. Antoine hatte die zweihundert Francs schnell aufgezehrt. Nicht einen Augenblick dachte er daran, sie in irgendein kleines Geschäft zu stecken, das ihm zum Lebensunterhalt verholfen hätte. Als er abermals mit leeren Taschen dasaß, sich dabei auf nichts verstand und zudem einen Widerwillen gegen jede regelmäßige Arbeit hatte, wollte er von neuem aus der Börse der Rougons schöpfen. Aber jetzt lagen die Dinge anders, und es gelang ihm nicht, die beiden einzuschüchtern. Pierre machte sich sogar die Gelegenheit zunutze, warf ihn wirklich vor die Tür und verbot ihm, jemals wieder den Fuß über seine Schwelle zu setzen. Vergebens wiederholte Antoine seine Beschuldigungen; die Stadt wußte von der großen Freigebigkeit seines Bruders, von der Félicité viel Aufhebens gemacht hatte, gab ihm unrecht und schalt ihn einen Faulenzer. Doch der Hunger setzte ihm zu. Er drohte, Schmuggler zu werden wie sein Vater und die Familie durch irgendeinen Gaunerstreich zu entehren. Die Rougons zuckten mit den Achseln; sie wußten, daß er viel zu feige war, seine Haut zu Markte zu tragen. Endlich entschloß sich Antoine, von dumpfer Wut gegen seine Verwandten und gegen die ganze bürgerliche Gesellschaft erfüllt, Arbeit zu suchen.
    In einer Vorstadtkneipe hatte er die Bekanntschaft eines Korbflechters gemacht, der bei sich zu Hause arbeitete. Er bot ihm seine Hilfe an. In kurzer Zeit lernte Antoine verschiedene Arten von Körben herzustellen, grobe und billige Ware, die sich leicht verkaufte. Bald arbeitete er auf eigene Rechnung. Dieses wenig anstrengende Handwerk gefiel ihm. Er konnte faul sein, sobald es ihm paßte, und mehr verlangte er nicht. Wenn es nicht mehr anders ging, machte er sich an die Arbeit, flocht in aller Eile ein Dutzend Körbe und verkaufte sie auf dem Markt. Solange dann das Geld reichte, bummelte er herum, suchte die Weinstuben auf, hielt seinen Verdauungsschlaf in der Sonne. Hatte er dann einen Tag gefastet, so griff er knurrend und schimpfend wieder zu den Weidengerten und schalt auf die reichen Leute, die leben, ohne zu arbeiten. Wenn man das Korbmachergewerbe auf diese Weise betreibt, ist es ein undankbares Geschäft. Er wäre nicht in der Lage gewesen, seine Saufereien mit dem Erlös seiner Arbeit zu bezahlen, hätte er sich nicht die Weiden sehr billig verschafft. Da er sie niemals in Plassans einkaufte, erzählte er, daß er jeden Monat seinen Vorrat aus einer Nachbarstadt hole, wo man angeblich billiger dazu kam. Die Wahrheit war, daß er sich in dunklen Nächten aus den Weidengebüschen der Viorne versorgte. Einmal überraschte ihn dort sogar der Flurhüter, was ihm einige Tage Gefängnis eintrug. Von da ab gab er sich in der Stadt als wütender Republikaner aus. Er behauptete, er habe friedlich seine Pfeife am Flußufer geraucht, als ihn der Flurhüter verhaftete. Und er fügte hinzu: »Sie wollten mich eben loswerden, weil sie meine politische Überzeugung kennen. Aber ich habe keine Angst vor diesen Schuften, den reichen Leuten!«
    Nach zehn Jahren Müßiggang fand Macquart jedoch, daß er zuviel arbeite. Sein ständiger Traum war, eine Daseinsweise zu finden, bei der man gut lebte, ohne etwas zu tun. Seine Faulheit hätte sich nicht mit Wasser und Brot begnügt, wie die mancher Nichtstuer, die mit schmaler Kost zufrieden sind, vorausgesetzt, daß sie die Hände in den Schoß legen können. Er wollte gutes Essen und schöne

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