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Das Glück der Zikaden

Das Glück der Zikaden

Titel: Das Glück der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Boehning , Pößneck GGP Media GmbH
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auf Russisch, so leise und schnell, als habe sie jemanden überlisten wollen.
    »Sie hält dich für schwer von Kapee.«
    »Das soll sie gerne.«
    »Wenn wir eine Wohnung haben, eine für uns, dann reden wir Russisch«, sagte er leise und berührte ihr Haar.
    »Wenn du ein Klavier hast, eines für dich.«
    Sie betrachtete ihren Mann. »Du wirst singen, wenn du ein Klavier hast.« Sie machte eine unbestimmte Geste, einemSchulterzucken nicht unähnlich. »Ein Klavier«, sagte Anton leise, »das ist das nächste, was ich organisiere.« Sie schaute ihm in die Augen, er forderte das. Sie hielt seinem Blick stand, dann verlor sie ihn. Sie würde sich nicht ans Klavier setzen, aber warum ihm das sagen. Das Instrument hatte nur eins im Sinn, nach ihr zu schnappen, über sie zu triumphieren, eine Frau ohne Stimme. Sich sprachlos am Schicksal zu rächen war lächerlich, aber im Moment war alles stärker als sie, selbst ein klappriges, angeschlagenes Pianola am schattigen Ende eines Wohnzimmers.
    Die Außenminister schlossen den Nichtangriffspakt, und Nadja stellte ein daumennagelgroßes Stalin-Bild so zwischen das gute Geschirr von Tante Ingje, daß nur sie es sehen konnte. Jeden Morgen, wenn sie die Küche betrat, grüßte sie ihren gutmütigen Herrn mit den treuen Augen und dem sympathischen Walroßbart, gegen den Tante Ingjes Hitler eine Karikatur von einem Führer war, blaß, häßlich und mit einem so kleinen Schnauzer, daß es wirkte, als wüchse ihm ein haariger Bremsklotz unter den Nasenlöchern.
    Anton brachte nach seinem ersten Arbeitstag die Zeitung mit. »Morgen«, sagte er, »morgen erscheint ein Artikel von mir.« Er brachte die Zeitung wieder mit und las vor: »Der Thronfolger von Spanien gehört zu den reichsten Männern der Welt. Er wird ein Königreich erben. Dennoch ist ihm das Schicksal nicht hold. Seine Angebetete, Prinzessin Alma Isabell von Portugal, fühlte sich von ihm zu wenig hofiert. Und so spielte sie ihm vor, entführt worden zu sein. Die Entführer forderten schriftlich eine hohe Summe Lösegeld. Sie selbst schrieb diesen Brief, ohne daß der Thronfolger ihre Handschrift erkannt hätte, und als er beschloß, einen Großteil des Vermögens zum Freikauf der Prinzessin ...«
    »In Spanien herrscht Bürgerkrieg, und du schreibst wasüber diesen ollen Monarchen«, unterbrach ihn Tante Ingje, »wenn du das Journalismus nennst, heiß ich Fürst Bismarck.«
    Nachdem die Kinder im Bett waren, mäanderte Anton durch den Flur, der Laden und Wohnung trennte, er schritt den Weg ab, als hole er Anlauf, dann kollidierte er mit der Tante auf halber Strecke in ihrem Wohnzimmer und sagte: »Mir brauchst du den Glauben nicht nehmen. Aber den Kindern könntest du ihn lassen.«
    »In meinem Haus werden keine Lügengeschichten erzählt«, sagte Ingje kalt, »da hast du in Rußland vielleicht einen lascheren Umgang mit unseren Tugenden gelernt.« Sie warf Nadja einen Blick zu, die am Bügelbrett stand und die Wärme des Eisens mit knappen Berührungen testete. Nadja erwiderte den Blick nicht, murmelte nur einen kleinen Fluch auf Russisch, der das Bügeleisen betraf, das schon wieder zu kalt war, um Leinen zu glätten. »Und bitte, wenn deine Frau schon was sagt«, sagte Tante Ingje, »dann auf Deutsch.« Nadja drückte das Eisen auf den Stoff, mit aller Kraft, eine Hoffnung, Tante Ingje und ihre Reden in gepreßter Hitze verdampfen zu lassen.
    »Das ist nicht zuviel verlangt. Daß die Frau Deutsch spricht.«
    »Das ist nicht die Frau, das ist meine Frau.«
    »Ich weiß, daß das Revuemädchen sprechen kann. Das ist nicht zuviel verlangt, oder?«, sie schaute Anton an, schon jetzt in Reue ob ihres Ausspruchs.
    »Keiner lügt hier. Nadja nicht. Ich nicht. Das laß dir gesagt sein.« Er schob eine wütende Sekunde lang die Unterlippe gen oberer, wobei seine Mundwinkel absanken. »Je härter die Zeiten, desto wichtiger ist Unterhaltung. Ich kann auch aus der komplizierten Welt der Politik berichten, aber ich finde es angemessener, daß jeder ab und zu mal was zu lachen hat und seine Sorgen vergessen kann. Das ist unser gutes Recht,wenn wir eine Zeitung kaufen. Also sag mir nicht, ich würde lügen. Ich unterhalte.«
    »Wie die famose Schauspielerin. Da seid ihr füreinander geschaffen.«
    Nadja kannte Antons Beherrschung, das Gären darin. Er nahm viel hin, er redete sich vieles schön, aber es gab einen Punkt, an dem sein ballonartig dehnbarer Langmut durchstoßen werden konnte. »Bilde dir nicht ein, daß wir deine Hilfe

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