Das Glueck einer einzigen Nacht
jeden Preis deinen Willen durchsetzen, Marvin?“ rief sie. „Ist dein Haß so groß, daß du das Leben eines glücklichen kleinen Jungen zerstören mußt?“
Ihre Verzweiflung weckte sein Mitleid, auch wenn er sich dagegen wehrte. Er wollte keine Gefühle für diese Frau aufbringen! Nichts wünschte er sich sehnlicher, als ihr mit kalter Gleichgültigkeit begegnen zu können. „Was willst du, Barbara?“ seufzte er. „Soll ich etwa Rücksicht nehmen, nur um dein mittlerweile geordnetes Leben nicht zu komplizieren? Ich bin nicht bereit, mein Anrecht auf Danny aufzugeben, nur um dir Schwierigkeiten zu ersparen. Nein, ein zweites Mal werde ich nicht mitansehen, wie du uns Farretts lächerlich machst.“
„O Marvin, hör mir doch endlich einmal zu!“ stöhnte sie verzweifelt. „Kannst du denn nicht einsehen, daß diese Sache weder etwas mit uns noch mit der Vergangenheit zu tun hat? Es geht mir nur um Danny und seine Zukunft. Du darfst doch kein unschuldiges Kind in unsere Fehde hineinziehen. Danny würde daran zerbrechen.“
Ihre Worte gingen in einem heftigen Donnerschlag unter. Marvin blickte zum Himmel, über den schwarze Gewitterwolken jagten und den Mond vorübergehend verdunkelten. „Das Gewitter kommt näher. Fahr nach Hause, Barbara.“ Damit wollte er weitergehen, doch Barbara hielt ihn zurück.
„Also gut, Marvin. Laß uns ein Abkommen treffen. Wenn du darauf verzichtest, das Sorgerecht für Danny einzuklagen, bin ich bereit, ihn mit dir zu teilen.“ Endlose Minuten, während denen nur das Heulen des Windes und entferntes Donnergrollen zu hören war, blickte Marvin auf Barbara herab. War es möglich, daß es ihr einzig darum ging, ihren Sohn vor Schaden zu bewahren? Konnte eine Frau wie Barbara ihr Kind dermaßen lieben? Oder spielte sie ihm nur etwas vor, um wieder einmal ihren Willen durchzusetzen? Wenn ja, dann war ihre schauspielerische Leistung bewundernswert.
„Nein, Barbara. Ich bin an einem Abkommen mit dir nicht interessiert“, lehnte er ruhig ab. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst…“ Wieder wollte er weitergehen.
„Zum Teufel mit dir, Marvin Farrett!“ rief Barbara empört. Diesmal grub sie ihre Fingernägel in seinen Arm, um ihn zurückzuhalten. „Warum mußt du auf diesem Gerichtsverfahren bestehen?“ schrie sie außer sich.
„Aus einem einzigen Grund, Barbara“, antwortete er gelassen. „Ich traue dir nicht, und ich verhandle niemals mit Leuten, denen ich nicht traue.“ Obwohl seine Erklärung sie nicht sonderlich überraschte, war Barbara betäubt angesichts Marvins Gefühllosigkeit. „Ich verstehe“, sagte sie müde. „In deinen Augen bin ich also nach wie vor eine skrupellose Opportunistin, der jedes Mittel recht ist, um ans Ziel zu kommen.“
Statt einer Antwort schaute er sie nur mit steinernem Gesichtsausdruck an.
„Und selbst, wenn dein Urteil über mich einmal zugetroffen hätte, Marvin, glaubst du nicht, daß ein Mensch sich ändern kann?“ Fragend blickte sie zu ihm auf. Ihr Kinn drückte Entschlossenheit aus, doch ihre vollen Lippen zitterten ein wenig. Es waren diese sinnlichen Lippen, deren Faszination er sich nicht entziehen konnte.
Unwillkürlich faßte er sie beim Kinn, um mit dem Daumen die Konturen ihres verführerischen Mundes nachzuziehen. „Hast du dich denn wirklich so sehr verändert, Barbara?“ fragte er mit schmeichelnder Stimme, während er den Blick nicht von ihren Lippen wandte.
„Ja… ich…“ Sie geriet ins Stottern, als er mit der anderen Hand zart über ihren Arm strich.
„Dann reagierst du also auf die Berührung eines Mannes nicht mehr so wie früher? Hast du diesen Hunger nach Zärtlichkeit etwa verloren?“ Er streichelte ihren Hals und zog dann mit einer geschickten Bewegung die Kämmchen aus ihrer Frisur, bis ihr die schwere, rötlich glänzende Haarfülle über die Schultern fiel.
Marvins Berührung löste Panik und Verwirrung in Barbara aus, sie konnte kaum noch klar denken. Wie hatte sie sich danach gesehnt, seine Hände auf ihrem Körper zu spüren. Wie viele Nächte hatte sie wachgelegen und sich diesen Moment herbeigewünscht. Doch die Realität sah anders aus als ihre Wunschträume. Marvins verführerische Berührungen waren wohlüberlegt und mechanisch. Das spürte sie, und das machte ihr Angst.
„Hör sofort auf, Marvin“, bat sie mit flehender Stimme und wandte den Kopf ab, um seiner Hand auszuweichen.
„Ah, dann hast du dich also doch verändert. Die Barbara Logan, an die ich mich erinnere,
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