Das Glueck einer einzigen Nacht
kämpfen.“ Die nassen Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht, und in ihren Augen blitzte ein goldenes Feuer. „Nur eines möchte ich dir noch sagen, Marvin Farrett. Auch ich habe sicher meine Fehler. Aber ich bin nicht annähernd so schäbig wie du.“
Nachdem sie ihm die Meinung gesagt hatte, rannte Barbara blindlings durch den Regen zurück zu ihrem Ferrari, ließ hastig den Motor an und raste mit quietschenden Reifen von dem Farrettschen Anwesen. Kaum war sie auf der Straße, da gab sie erst richtig Gas. Das dumpfe Prasseln des Regens vermischte sich
mit
dem
eintönigen
Geräusch
des
Scheibenwischers
und
ihrem
unterdrückten Schluchzen. Mit halsbrecherischem Tempo schnitt sie die steilen Kurven. Sie war so benommen, daß sie die Weggabelung erst im letzten Moment sah. Heftig trat sie auf die Bremse. Der Ferrari schlingerte und kam Zentimeter vor einem Graben zum Stehen. Geschockt brach Barbara über dem Lenkrad zusammen. Ihre Knie zitterten, während in ihrem Kopf die Gedanken durcheinanderwirbelten.
„Ich bin eine Närrin – Marvin hat ganz recht“, jammerte sie laut und schlug dabei mit der Stirn gegen das Lenkrad. „Wie konnte ich es nur riskieren, nach Farretts Corner zurückzukommen?“
Betäubt lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück, während sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Es gab viele Gründe für ihren überraschenden Besuch in ihrem Heimatdorf, und keine Minute hatte sie sich etwas vorgemacht, ihr Ziel war nicht einfach zu erreichen. Doch mit einer Möglichkeit hatte sie nicht gerechnet: daß Marvin auf die Idee kommen könnte, ihr Danny wegzunehmen. Aber ihr Glaube, mit allen Schwierigkeiten letztlich doch fertigzuwerden, hatte ihr noch immer die nötige Kraft gegeben, und dies würde ihr auch jetzt weiterhelfen.
Wenigstens ein Ziel könnte sie erreichen, dessen war sie sicher: Hayden Petroleum würde die FarrettBergwerke übernehmen.
Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und setzte sich aufrecht hin.
Selbstmitleid war eine Schwäche, die sie sich nur höchst selten erlaubte. Ihre Zeit und ihre Energie waren zu schade dafür. Wenn sie Dannys Sicherheit nicht gefährden wollte, mußte sie schnell und entschlossen handeln. Mit einem leisen Klicken legte sie den Gang ein und fuhr nach Hause.
Minuten später stellte sie ihren Wagen neben der Scheune ab und rannte durch den strömenden Regen zu der überdachten Terrasse. Erschöpft ließ sie sich in Grandmas alten Korbsessel fallen und starrte in die graue Regenwand hinaus.
Sie war nicht mehr das naive und schwache junge Mädchen, als das man sie hier in Erinnerung hatte. Jess hatte sie in der Kunst unterrichtet, mit jedem Gegner elegant fertig zu werden. Über ein Jahr hatte sie sich darauf vorbereitet, die Fusion mit den FarrettBergwerken zustande zu bringen. Obwohl sie nicht vorgehabt hatte, Marvin finanziell unter Druck zu setzen, ließ ihr jetzt sein Verhalten keine andere Wahl. Er hatte nicht nur ihr Angebot ausgeschlagen, sondern wollte ihr darüber hinaus auch noch ihren Sohn wegnehmen. Aber Gott sei Dank waren Machtkämpfe nichts Neues für sie. Als gelehrige Schülerin hatte sie strategisches Vorgehen bei einem Meister studieren können – ihrem Mann Jess. „Männer in Machtpositionen respektieren nur den, der ihnen an Macht überlegen ist“, hatte er ihr oft gesagt. „Du mußt immer den letzten Trumpf in der Hand behalten und ihn nur ausspielen, wenn es absolut unumgänglich ist.“ Barbara schloß die Augen. Mit einem Mal verflogen Kälte und Verzweiflung. Die Sicherheit, die Jess ihr gegeben hatte, konnte ihr immer noch Wärme, Zuversicht, den Glauben an sich selbst vermitteln.
4. KAPITEL
„Mr. Hershell wird sich gleich um Sie kümmern, Mrs. Hayden.“ Die spröde Empfangsdame schenkte Barbara ein steifes Lächeln und bedeutete ihr, auf der Bank vor dem Büro des stellvertretenden Direktors Platz zu nehmen. „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen?“ erkundigte sie sich pflichtschuldig.
„Das wäre nett von Ihnen, vielen Dank.“ Barbara ließ sich auf der harten Holzbank nieder, öffnete ihren Aktenkoffer und blätterte noch einmal ihre Dokumente durch.
Solange sie die Blicke der Empfangsdame auf sich spürte, beschäftigte sie sich eingehend mit ihren Papieren. Erst nachdem sich die Schritte der Frau auf dem TerrazzoFußboden entfernt hatten, schaute sie auf, um sich in der Schalterhalle der Bank umzusehen – und Steven Bishop einen vielsagenden Blick zuzuwerfen.
Steve spielte die Rolle
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