Das Glück eines Sommers
los?«
»Mich gibt es immer noch.«
»Der Arzt im Hospiz will nicht mit mir reden. Ärztliche Schweigepflicht, hat er gesagt.«
»Ich weiß«, hatte Jack erwidert. »Aber ich fühle mich schon besser. Mit jedem Tag werde ich kräftiger. Wie läuft es mit Mikki?«
»Gut. Sie hat sich eingewöhnt. Aber darum geht es nicht. Wir müssen deine Situation klären.«
»Das versuche ich doch schon. Jeden Tag.«
Und so war es immer weitergegangen, Tag für Tag, Woche für Woche. Über Skype und telefonisch hatte Jack die Fragen seiner Kinder beantwortet. Und allmählich wurde ihm klar, dass selbst Mikki die Situation erfasste. Jedes Mal, wenn er sie lächeln sah, verlieh es ihm neuen Mut.
An einem kalten, stürmischen Montagmorgen im Februar ging Jack aus eigener Kraft den Flur hinunter. Er hatte inzwischen fünf Pfund zugelegt; sein Gesicht war runder geworden, seine Haare wuchsen wieder, und sein Appetit war besser denn je. Außerdem bekam er keine Schmerzmittel mehr, denn die Schmerzen waren verschwunden.
Der Arzt des Hospizes setzte sich Ende der Woche mit Jack zusammen. »Ich bin nicht sicher, was hier los ist, Jack, aber ich werde Ihr Blut noch mal untersuchen lassen und andere Tests durchführen, um herauszufinden, was wir hier haben. Ich möchte Ihnen aber keine falschen Hoffnungen machen.«
Jack starrte ihn stumm an, einen Löffel mit Suppe an den Lippen.
Der Arzt fuhr fort: »Schauen Sie … Wenn es so weitergeht, ist das fantastisch, und niemand würde sich mehr freuen als ich, denn wie Sie wissen, sterben meine Patienten für gewöhnlich. Wir helfen ihnen lediglich, in Würde von uns zu gehen.«
»Aber?«, hakte Jack nach.
»Aber Ihre Krankheit ist ausgesprochen kompliziert. Und sie verläuft immer tödlich. Vielleicht haben wir es nur mit einer vorübergehenden Besserung zu tun.«
»Ja, vielleicht. Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Ich will jetzt nicht schwarzmalen, aber vermutlich ist das so.«
»Hat sich der Zustand anderer Patienten mit meiner Krankheit denn schon mal auf Dauer gebessert?«
Der Arzt schaute ihn überrascht an. »Nein. Jedenfalls hab ich nie von einem solchen Fall gehört.«
»Mehr wollte ich nicht wissen.«
Der Arzt wirkte verwirrt. »Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß, dass ich im Sterben gelegen habe. Aber jetzt nicht mehr.«
»Wie können Sie so sicher sein?«
»Ich weiß es einfach.«
»Jack, ich muss Ihnen sagen, was mit Ihnen geschieht, ist medizinisch unmöglich.«
»Medizin ist nicht alles.«
Der Arzt musterte ihn von Kopf bis Fuß und sah die neu entwickelten Muskeln, das vollere Gesicht und die vor Energie funkelnden Augen.
»Warum geschieht das mit Ihnen, Jack? Was glauben Sie?«, fragte er schließlich.
»Sie sind Arzt. Das würden Sie nicht verstehen.«
»Ich bin aber auch ein Mensch, und als Mensch würde ich das gerne wissen.«
Jack griff in die Schublade, holte ein Foto heraus und reichte es dem Arzt.
Es war ein Bild von Lizzie und den Kindern.
»Deswegen«, sagte Jack.
»Ich dachte, Ihre Frau sei gestorben.«
Jack schüttelte den Kopf. »Das ist egal.«
»Was?«
»Wenn man jemanden wirklich liebt, dann liebt man ihn für immer.«
KAPITEL 12
Zwei Tage später war Jack in seinem Zimmer und aß eine vollständige Mahlzeit. Er hatte schon wieder drei Pfund zugelegt. Der Arzt kam herein und hockte sich auf die Bettkante.
»Okay, jetzt glaube ich offiziell an Wunder«, verkündete er. »Die Ergebnisse der Blutuntersuchung sind gekommen. Negativ. Es findet sich nicht mehr die geringste Spur der Krankheit. Es ist, als hätte jemand sie aus Ihrem Körper verjagt. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es gibt keine medizinische Erklärung dafür.«
Jack schluckte einen Mundvoll Kartoffelpüree hinunter und lächelte. »Freut mich, dass Sie das endlich auch eingesehen haben.«
Am Abend sah er seine Kinder via Computer.
»Wann kommst du mich besuchen, Dad?«, platzte Cory heraus.
»Ich hoffe, bald, Großer. Ich sag dir Bescheid. Ich habe noch einen langen Weg vor mir, aber ich werd’s schon schaffen.«
Mikkis Reaktion überraschte Jack – leider auf unangenehme Weise.
»Ist das ein Trick?«, wollte sie wissen.
Jack setzte sich langsam auf und betrachtete ihr Gesicht auf dem Monitor. »Ein Trick? Wie meinst du das?«
»Als wir dich verlassen haben, hast du im Sterben gelegen. Dafür sind Hospize schließlich da. Du hast uns allen Lebewohl gesagt. Du hast mich zu Opa und zu ihr geschickt!«
»Das ist kein Trick, Liebling. Ich werde
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