Das Glück eines Sommers
Tanz aus der Nussknacker-Suite.«
Judy, eine dürre Vierzehnjährige, lief zur Jury, um sich ihren Pokal und einen Blumenstrauß abzuholen.
»Danke, Judy. Auf dem zweiten Platz haben wir Dickie Dean und sein Barbershop Quartet.«
Der Mann, der Mikkis und Liams Performance hinter der Bühne so überschwänglich gelobt hatte, holte sich im Namen seines Quartetts den Pokal ab, begleitet von Applaus.
»Und nun zum ersten Platz.«
Die Zuschauer hielten den Atem an.
Die Vorsitzende räusperte sich noch einmal. »Zum vierten Mal in Folge gewinnt Tiffany Murdoch für ihre artistische Vorstellung mit dem Tambourstock!«
Tiffany trat vor. Sie grinste von einem Ohr zum anderen und schnappte sich ihren Pokal, den Hundertdollarscheck und die Blumen, während ihre Mutter strahlte. Mit Pokal und Blumen in der Hand schritt Tiffany zum Mikrofon. »Ich bin vor Dankbarkeit geradezu überwältigt. Viermal hintereinander! Wer hätte das für möglich gehalten? Ich möchte der Jury danken, und …«
»Das ist Beschiss!«, rief eine Stimme.
Alle drehten sich um, einschließlich Jack und Jenna. Cory stand auf seinem Stuhl und richtete anklagend den Finger auf die Jury.
»Das stinkt!«, brüllte Cory.
»Das stinkt!«, krähte Jackie, der ebenfalls auf seinen Stuhl geklettert war und mit dem Finger auf die Wertungsrichter zeigte.
»Cory!«, rief Jack. »Jackie! Runter da!«
Doch Jenna legte ihm die Hand auf den Arm. »Weißt du was? Sie haben recht.« Sie stand auf und rief: »Das stinkt!«
Jack zuckte mit den Schultern. Dann rief er der Jury zu: »Wollen Sie etwa sagen, dass Mikki Armstrong und Liam Fontaine es nicht mal unter die ersten drei geschafft haben? Sie haben sie ja nicht alle!«
Die Vorsitzende der Jury und Chelsea Murdoch funkelten ihn böse an.
Plötzlich ertönte ein neuer Chor weiter hinten im Saal.
Mikki reckte den Hals. Es waren Blake und mehrere Leute aus Sweat Town, darunter die Frau, die auf Tiffanys Party bedient hatte.
»Neu zählen!«, verlangte Blake. »Neu zählen!«
Mikki grinste ihn an.
»Neu zählen! Neu zählen!«, hallte es durch den Saal.
Tiffany stand mitten auf der Bühne und tat so, als könne ihr all die Kritik nichts anhaben. Sie hielt ihren Pokal in die Höhe und posierte für einen Fotografen der Lokalzeitung.
Dann riefen die Zuschauer: »Zugabe! Zugabe!«
Mikki schaute fragend zu Liam.
»Ach, was soll’s«, sagte er. »Geben wir ihnen Deep Purple.«
Mikki nickte, nahm die Gitarre, drehte den Verstärker auf, stellte den Fuß auf das Wah-Wah-Pedal und spielte einen so machtvollen Akkord, dass Tiffany unwillkürlich aufschrie und fast von der Bühne gefallen wäre. Mikki sah kurz zu Liam. Er nickte, und dann dröhnte »Smoke on the Water« durch den Saal.
Als Minuten später die letzten Noten verhallten, nahmen Liam und Mikki sich in die Arme und verneigten sich. Das war das Zeichen für die ekstatische Menge, die Bühne zu stürmen. Tiffany musste zur Seite springen, um der Stampede auszuweichen. Der Zeitungsreporter und sein Fotograf schlossen sich der Menge an und ließen die Tambourstockartistin im Regen stehen. Tiffany stürmte von der Bühne und warf ihren Pokal wutentbrannt in den Mülleimer. Ihre Mutter folgte ihr aus dem Saal und versuchte, ihre tobende Tochter zu beruhigen.
Später, auf der Heimfahrt, saßen Mikki und Liam hinten im Pick-up. Die beiden Teenager glänzten vor Schweiß von der Anstrengung und Aufregung.
»Das war der tollste Tag meines Lebens«, sagte Liam. »Ich hätte nie gedacht, dass Verlieren sich so geil anfühlt.«
Jack schaute im Innenspiegel in das Gesicht seiner Tochter. »Was ist aus den alternativen Beats mit der unkonventionellen Instrumentenmischung geworden?«
Mikki grinste. »Wow! Du hast mir ja tatsächlich zugehört. Ich bin beeindruckt. Na, wie auch immer … Manchmal geht einfach nichts über guten alten Rock and Roll.«
»Und das Beste war«, sagte Cory, »wie Tiffany aus dem Saal gerannt ist.«
Jenna drehte sich nach hinten um und tippte Jack auf den Arm. Er blickte in den Innenspiegel und sah, wie Liam und Mikki sich küssten.
»Ich denke«, flüsterte Jenna, »für die beiden ist das jetzt das Beste.«
KAPITEL 58
»Hey!«, brüllte Jack.
Er und Sammy waren gerade aus dem Supermarkt in Channing gekommen, als Jack sah, wie irgendein Kerl sich seinen Werkzeuggürtel von der Ladefläche des Pick-ups schnappte und weglief. Jack und Sammy rannten ihm hinterher, Jack mit ein paar Schritten Vorsprung. Er sah, wie der Kerl sich
Weitere Kostenlose Bücher