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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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dasselbe Ledergeschäft vor, das mir auch durch den Kopf ging. Es war das erste Mal seit meiner Operation, dass wir bummelten … wie früher – und doch ganz anders. Wir schlugen uns tapfer, wenn mir auch manchmal Bilder wie Sternschnuppen durch den Kopf zischten. Wie wir auf vier kecken Tänzerinnenbeinen über den Marktplatz gesprungen waren, so federnd, so kräftig, so graziös.
    Manu klebte förmlich am Schaufenster des Lederwarenladens.
    »Schau mal, die rote Tasche da. Was meinst du?«
    Ich rümpfte die Nase: »Ich suche eine schwarze Tasche, lieber einen Rucksack. Nichts Buntes, auf keinen Fall rot. Der Rollstuhl ist ja auch schwarz.«
    »Lass uns mal reingehen«, sagte Manu und hielt mir die Tür auf.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, wollte eine Verkäuferin wissen.
    »Wir brauchen einen Rucksack für den Rollstuhl meiner Freundin«, erklärte Manu. »Und zwar in Schwarz.«
    »Ja, wenn Sie bitte da vorne in die andere Abteilung gehen … äh, ich meine …«
    Manu grinste: »Ist schon in Ordnung. Wie gehen dann mal da rüber.«
    »Ja. Äh. Da ist auch eine Kollegin. Ich bin für die Koffer zuständig.«
    Manu schnappte mich und schob mich weg.
    »Hey, lass mich selber fahren!«
    »Ne, dazu macht es mir viel zu viel Spaß, dich endlich mal in die Richtung zu lenken, wohin ich will!«
    Ich schlug spielerisch auf ihren Oberschenkel.
    »Weißt du«, sagte Manu und ihre Stimme klang belegt, »als ich dich im Krankenhaus besuchte, war ich unsicher, als ich ›gehen‹ sagte. Wie die Verkäuferin eben. Ich erinnere mich an die Situation, als wäre sie gestern gewesen.«
    »Aber das sag ich doch auch!«
    »Ja, ich weiß schon. Aber es ist wohl ebenso unangenehm, wie einen Blinden zu fragen, wann man sich wiedersieht.«
    »Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.«
    »Du sagst noch viel krassere Sachen«, behauptete Manu.
    »Echt?«
    »Als du mir gestern am Telefon von Andi und diesen ominösen Falsch-Verbunden-Anrufen erzählt hast …«
    »Ja?«
    »Du hast glatt gesagt: Ich war wie gelähmt.«
    Ich prustete laut heraus: »Das ist mir gar nicht aufgefallen!«
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte uns die Rucksackverkäuferin.

    Zurück in Weidenberg, stellte sich heraus, dass Andi keine neue Freundin hatte. Er telefonierte mit seiner Ex, weil er seine Tochter Nelly sehen wollte. Da Andi wusste, dass ich damit nicht so gut umgehen konnte, wie es mir lieb gewesen wäre, versuchte er, diese Telefonate vor mir geheim zu halten, womit er alles noch schlimmer machte. Ich hatte keine gute Phase in der ersten Zeit in Weidenberg. Nur wenig klappte, wie ich mir das vorstellte. Ich war nicht die junge, taffe Frau, die ich sein wollte. Ich war noch lange nicht selbständig, und das machte mich unzufrieden und quengelig.
    Ich war angewiesen auf Andi, da die Rampe vor der Tür noch fehlte. Ständig wurde ich vertröstet. Solange die Rampe nicht angebracht und mein umgebautes Auto nicht geliefert war, konnte ich nicht arbeiten und nicht mal Marcky Gassi führen, so dass alles an Andi hing. Er kaufte ein und verrichtete alle Arbeiten, die ich nicht schaffte – aber eben nicht so gründlich und flott, wie mir das vorschwebte, da wir verschiedene Ansichten über Ordnung hegten.
    Ich fühlte mich gefangen in der Wohnung und war bestimmt keine liebreizende Gefährtin. Kein Wunder, dass Andi immer öfter mit seiner Ex-Freundin telefonierte. Ging es da wirklich nur um die Tochter? Oder witterte er eine Chance, aus dem beschwerlichen Alltag mit mir auszubrechen? Ich glaubte, Andi mittlerweile recht gut zu kennen, und deshalb konnte ich mir nicht vorstellen, dass er mich einfach so verlassen würde. Doch wenn ihm jemand ein besseres Angebot unterbreitete, wäre er vielleicht weg. Andi brauchte damals oft jemanden, der ihn bei der Hand nahm. Früher war ich das gewesen. Heute musste ich erst mal mich selbst an die Hand nehmen, und nicht mal das gelang mir zu meiner Zufriedenheit.

    Endlich erhielt ich den lang ersehnten Anruf aus Freiberg, dass ich mein Auto abholen könnte. Mit meinem Nissan, Andi am Steuer, fuhren wir hin, zurück würde ich mit dem Honda fahren. Ich war aufgeregt, denn es war die erste Fahrt ohne Fahrlehrer an meiner Seite. Andi würde mir kaum helfen können, er war nicht eingewiesen in die Handsteuerung. Die Übergabe klappte reibungslos, und danach fuhren wir zu meinen Eltern. Nach dem Kaffee verkündete Andi plötzlich, er wolle die Gelegenheit nutzen, seine Tochter zu besuchen, wenn er schon mal da sei. Ich

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