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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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tat, was ich konnte, aber ich konnte eben nicht mehr so wie früher, und alles dauerte ewig.
    Auch das Bett zu beziehen stellte mich vor eine Herausforderung, und ich war sehr stolz, dass ich Oma und Opa überraschen konnte, denn ich hatte mir selbst einen Trick überlegt, wie ich dem Bettzeug Herr beziehungsweise Frau werden konnte. Klar war ich danach körperlich fix und fertig. Kleinste Tätigkeiten waren für mich manchmal Schwerstarbeit, was man leicht nachvollziehen kann, wenn man mal versucht, ohne Beine, Bauch- und untere Rückenmuskeln den Haushalt in Schuss zu halten.

    Mein kleiner Marcky war begeistert von meinen Aktivitäten und schenkte mir immer wieder Mut und Durchhaltekraft, wenn ich mal verzweifelt war, weil alles so lange dauerte und ich meine klitzekleinen Fortschritte nicht schätzte. In seiner und der Begleitung meiner Großeltern wagte ich es auch, die nähere Umgebung zu erkunden. Ziel war es, später auch lange Spaziergänge mit Marcky unternehmen zu könnnen. Meinen lieben Großeltern fiel es manchmal sehr schwer, mich im Handbetrieb durch unwegsames Gelände rollen zu sehen, doch sie sagten nichts, seufzten nur hin und wieder verstohlen, und in ihren Augen glänzten Tränen.
    »Dieser beißende Wind!«, schimpfte mein Opa mit rauer Stimme, obwohl sich kein Lüftchen regte. Meistens lobten sie mich: »Toll Ines! Super machst du das!«
    Mein Opa versuchte immer wieder mal, mich zu schieben, wenn es bergauf ging, doch ich bat ihn: »Danke, Opa, aber lass mich machen. Wenn ihr weg seid, muss es auch funktionieren.«
    »Entschuldigung«, sagte er und nahm die Hände schnell weg, als hätte er sich an den Griffen des Rollstuhls verbrannt.
    Wir fanden eine Strecke, die ich gut bewältigen konnte. Eine einzige leichte Steigung musste ich überwinden, das klappte von Tag zu Tag besser. Gern ließ ich mich nach diesen Spaziergängen von Opa über die Rampe nach oben schieben. Ringo hatte ein wenig zu steil geplant. An Andi dachte ich seit Ringo gar nicht mehr. Ich war voll beschäftigt mit meinem Survival-Trip. Manchmal rief Andi an und fragte, wie es mir gehe. »Gut«, sagte ich dann und beendete das Telefonat schnell, denn obwohl ich nie an ihn dachte, fühlte ich mich noch immer sehr zu ihm hingezogen, wenn ich seine Stimme hörte.

    Meine Großeltern fuhren mit mir zum Einkaufen nach Bayreuth. Ich parkte auf dem Behindertenparkplatz vor einem großen Supermarkt, lud den Rollstuhl und dann mich aus und packte mir eine Klappbox auf den Schoß – Omas Idee, glaube ich. Oder Opas? Oder gar meine eigene – es ist lange her!
    Im Geschäft blieben Oma und Opa diskret hinter mir, als würden wir uns nicht kennen, was mir diebische Freude bereitete und die beiden quälte. Als sie aber merkten, wie viel Spaß mir das machte, fanden sie es auch toll. Nun kam es auf das sinnvolle Beladen der Kiste an. Die schweren Sachen nach unten, Obst nach oben. An der Kasse ausladen, alles wieder einladen und zurück zum Auto balancieren. Einladen. Und dann den Rollstuhl – oh, war der schwer. Auch wenn nur das Gestell übrig blieb, musste ich es über mich auf den Beifahrersitz hieven, und manchmal zitterten meine Arme danach wie beim Training im Keller des Krankenhauses. Als meine Großeltern mitbekamen, dass mich manchmal jemand fragte, ob ich Hilfe benötigte, stellte sich mein Opa eines Tages vor mich und fragte frech: »Junge Dame, brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein danke«, sagte ich cool und wuppte meinen Rollstuhl auf seinen Platz.

    An dem Tag, an dem meine Großeltern zurück nach Freiberg fuhren, wurde die Rampe gebaut. So konnten sie mich mit gutem Gewissen alleinlassen – und für mich fing ein völlig neues Leben an, denn nun würde ich auch wieder arbeiten können. Es ging gleich los mit einer Runde Berufsschule, wo ich am Anfang nur Bahnhof verstand. Schnell wurde mir klar, dass eine Hotelfachfrau ganz andere Aufgaben hat als eine Hotelkauffrau. Also musste ich mich reinknien, was mir viel Freude machte und zudem leichtfiel, denn der Neubau war vorbildlich rollstuhlgerecht gestaltet, und ich musste keine Zeit einplanen, um über Schleichwege von A nach B zu kommen oder Mitschüler um Kraftproben zu bitten. Das Hotel war längst nicht so gut ausgestattet und bestand eigentlich nur aus Treppen – wir entschieden, ich sollte zweimal in der Woche Arbeit abholen und die zu Hause erledigen. Das war mir sehr recht, so musste Marcky nicht lange allein bleiben. Ich selbst war auch nicht oft allein, denn ich

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