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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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Spiegel begegnete, schaute ich weg.
    »Im Sitzen hat jeder einen kleinen Bauch!«, versuchte Heike mich zu trösten. Ich hatte sie beim Spazierenfahren mit Tim kennengelernt. Ihr Sohn Niklas war nur wenige Wochen jünger als Tim und sah seiner Mutter so ähnlich, dass es mich jedes Mal aufs Neue verblüffte. Er war Heike sprichwörtlich aus dem Gesicht geschnitten, was man von mir und Tim nicht behaupten konnte.
    »Ich spreche nicht von einem kleinen Bauch, sondern von … Wie sagen die Bayern? Von einer Wampe.«
    »Ines! Sei nicht so streng mit dir. Du hast eine Schwangerschaft hinter dir.«
    »Ja, mit der Betonung auf hinter mir. Der Bauch ist aber noch immer da«, beschwerte ich mich. »Deiner ist schon fast weg.«
    »Veranlagung«, meinte sie achselzuckend und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Außerdem sieht man meinen Bauch auch noch, wenn ich sitze.«
    Mit dem Sitzbauch hatte ich leider früh Bekanntschaft machen müssen, als ich zur Rollstuhlfahrerin wurde. Doch zwischen Sitzbauch und Schwabbelbauch liegen Welten, genauer Kilos, und die gedachte ich nun loszuwerden. Auch meine Arme waren mir zu dick und das Gesicht. Die ganze Ines war mehr Moppel als Model.
    Ich wollte mich wieder wohl fühlen in meinem Körper. Im Ministerium hörte ich zufällig, wie sich zwei Kolleginnen über ein Punktesystem unterhielten, und auch der Begriff Weight Watchers fiel. Neugierig hakte ich nach und erfuhr, wie diese Methode funktioniert. Sie gefiel mir auf Anhieb, denn eine Radikalkur hätte ich niemals gemacht. Ich wollte vernünftig, gesund und langfristig abnehmen, nicht mal schnell drei Kilo, die ich in drei Wochen wieder auf den Rippen hätte. Ich esse gern. Also brauche ich eine Diät, bei der ich essen darf, aber eben mit Verstand. Zu meiner Erleichterung musste ich nicht persönlich bei den Treffen der Weight Watchers erscheinen, ich konnte auch via Internet kontrolliert abnehmen. Ich meldete mich an und erhielt hilfreiche Informationen und auf mich persönlich zugeschnittene Diätvorschläge. Alles war einfach erklärt, und das motivierte mich, meine Ernährung von Grund auf umzustellen.
    Der schlanke Markus kochte sehr gern und sparte dabei weder mit Sahne noch Butter. Ohne zu murren erfüllte er meine Bitte nach kalorienarmem Essen, oft kochte ich aber auch selbst. Wenn es Nudeln gab, kamen ab sofort zwei Saucen auf den Tisch. Einmal die sämige Sahnesauce für Markus, einmal die saftige Tomatensauce für mich. Es dauerte nicht lange, da spürte ich die ersten Erfolge – und ich konnte sie auch an der Waage ablesen. Das spornte mich erst recht an. Markus fand mich wahrscheinlich ein wenig albern, doch gutmütig nahm er mich einmal in der Woche huckepack, damit ich mein aktuelles Gewicht erfahren konnte.
    Die Pfunde purzelten Woche für Woche. Ich fühlte mich rundum wunderbar, und auch mein Selbstbewusstsein, das in den zeltartigen Klamotten gelitten hatte, erblühte zu neuer Pracht.
    »Jippieh! Noch ein Pfund weg!«, jubelte ich am Wiegetag.
    Markus murrte irgendetwas. Offensichtlich bedauerte er die verlorenen Pfunde allmählich – oder gefiel ihm mein erstarktes Selbstbewusstsein nicht? Je dünner ich wurde, desto dünner wurde unsere Beziehung.

    Einmal lud mich Heike zum Limbacher Feuerwehrfest ein, ihr Mann war dort Mitglied. Gerade für Kinder sei dieses Fest eine Attraktion, und auch Erwachsene hätten ihren Spaß. Ich fragte Markus, ob er mitkommen wolle. Ich wünschte mir, er würde ja sagen. Wir hatten lange keinen Familienausflug mehr unternommen. Schließlich wohnten wir hier, und es wäre bestimmt nett, ein paar weitere Einheimische kennenzulernen. Doch die Feuerwehr verlor gegen Fernseher und Couch. Markus blieb zu Hause, da er in der Schuhkischt so einen anstrengenden Tag gehabt hatte.
    Ich war die einzige Mutter mit Kind ohne Vater an diesem Samstagnachmittag. Andere Väter trugen ihre Söhne und Töchter auf den Schultern, platzten vor Stolz, wenn sie eine Leiter hochkletterten, Opas und Omas fotografierten, dass es nur so blitzte … und ich? Ich war ganz allein. Nein, ich hatte keinen Grund, mich zu beschweren. Ich war mit Tim da. Die Feuerwehrmänner waren besonders nett zu ihm und zeigten ihm alles. Doch sie waren nicht sein Vater. Dem war die Couch wichtiger.
    »Soll ich Ihren Sohn mal in den Löschzug setzen?«, fragte mich ein Feuerwehrmann.
    Eigentlich war Tim zu klein, um sich dafür zu begeistern, doch die Geste rührte mich, und sie tat weh, weil sie von einem Wildfremden

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