Das Glück ist eine Katze
Luft und glich einer der Mänaden, die einst den armen Orpheus so zurichteten, daß er keinen
Piep mehr machen konnte.
Das schien Konrad auch so zu sehen. Er erinnerte sich an seine bei der letzten Auseinandersetzung mit Schlumpel lädierte Nase
und trat zurück: »Nach Ihnen, Madame!«
Schlumpel stolzierte mit erhobenem Schwanz ins Zimmer, verschwand in der gottlob zur Küche hin geöffneten Tür, kam nach etwa
drei Minuten |114| zurück und schritt, ohne Konrad auch nur eines Blickes zu würdigen, durch die Balkontür hinaus.
Dann begab sich Konrad in die Küche, um sich einen magenfreundlichen Fencheltee zu brauen.
»Weißt du, was sie gemacht hat?« fragte er, in der Hand den Henkelbecher, auf dem
Salbei
steht. Er findet nie den richtigen Becher, was, wie er behauptet, an mir liege, bei ihm zuhause herrsche Ordnung im Küchenschrank,
da trinke er seinen Fencheltee immer nur aus der ständig bei Fuß stehenden Fenchelteetasse.
»Sie wird einen kleinen Happen zu sich genommen haben.«
»Happen ist gut. Sie war auf dem Klo. Wo sie draußen doch überall könnte, wenn sie nur wollte. Aber sie wollte was anderes.
Mich schikanieren. Drum hat sie das ganze Theater inszeniert.«
»Matt!« Ich machte mit dem Pferdchen einen so kühnen Sprung, daß sein schwarzer König vor Schreck tot umfiel.
»Matt? Wieso? Wer?«
»Der schwarze König. Du auch. Er durch meine Dame, du durch meine Schlumpel. Mit Katzen diskutiert man nicht. Man zieht immer
den kürzeren. Das weiß ich noch von Stoffele.«
»Ich werd ihr schon noch zeigen, wo der Bartel den Most holt«, knurrte Konrad.
|115| Die neuen Bremer Stadtmusikanten
»Erzähl!« Schlumpel machte große, erwartungsvolle Funkelaugen. »Damit ich besser schlafen kann.« Sie lag am Fußende meines
Bettes, auf der grünen Decke, die hat sie sich erobert, aber weiter rauf darf sie nicht. Haben wir ausgemacht. Ich meine,
ich hab das ausgemacht.
Ich gähnte. »Nix da! Ich bin viel müder als du. Bin nämlich über den Schluchsee ans andere Ufer geschwommen.«
»Aber du liegst doch hier. In meinem Bett.«
»Das kommt daher, daß ich wieder zurückgeschwommen bin. Erzähl du mir was. Eine Geschichte mit einer Katz drin. Dann haben
wir zwei. Eine in einer Geschichte, die andere in meinem – in unserem Bett.«
Schlumpel ließ ihre Ohren spielen. »Also eine Katz mit einer Geschichte um sich rum. Es ist eine sehr wahre Geschichte, direkt
aus dem Leben.« Und sie begann: »Es war einmal ein alter Esel. Und sein Herr – Esel haben nämlich einen Herrn, eine Katze nicht, das wär ja noch schöner – sein |116| Herr wollte ihn loshaben und hat ihn weggejagt. Der Esel hat gesagt, von irgendwas muß man ja leben, auch als alter weggejagter
Esel, am besten geh ich nach Irgendwo, dort mach ich Musik. Und er ist losgelaufen, nach Irgendwo. Dann lag da ein Hund rum.
Den hat sein Herr – Hunde haben nämlich einen Herrn, Katzen nicht, so was haben sie nicht nötig – also sein Herr hat ihn totschlagen wollen,
weil er alt war. Und der Esel hat gesagt, komm mit, wir machen zusammen Musik. In Irgendwo. Dort warten sie nur auf uns. Und
der Hund ist mitgegangen. Dann saß da eine Katze rum. Eine rote mit grünen Augen.«
»Schlumpel? Du?«
Schlumpel zwickte die Augen zu. »Was macht ihr denn? hab ich gefragt. Wir gehen nach Irgendwo und machen dort Musik, hat der
Esel gesagt. Wenn wir hierbleiben, schlagen unsere Herren uns tot. Das kommt davon, hab ich gesagt, wenn man einen Herrn hat.
Ich hab keinen. Warum hast du keinen? hat der Hund gefragt. Weil ich eine Katze bin, Katzen haben keinen Herrn. Katzen regieren
selber. Entweder über sich, oder über einen Menschen. Ich mach, was ich will. Mein Mensch macht auch, was ich will. Und ich
will, was ich mach. Und jetzt mach ich eine Pause.«
Sie schleckte die Vorderpfote ab und begann mit einer ausführlichen Putzerei.
|117| »Weiter!« bat ich. »So eine Geschichte hab ich noch nie gehört. Mal was Neues.«
»Eile mit Weile!« sagte Schlumpel, das hat sie von unserem Briefträger, und »putze mit Spucke!« Das hat sie von sich. Sie
klemmte das Schwanzende zwischen die Pfoten und leckte das Fell schön glatt, was mindestens drei Minuten dauerte und meine
Spannung erhöhte. »Komm doch mit uns, hat der Esel gesagt, nach Irgendwo, zum Einbißchenmusikmachen. Warum nicht? hab ich
gesagt, im Schnurren bin ich ganz groß. Mal ’ne Abwechslung. Und dann haben wir einen gesehen. Auf dem Mist, ganz
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