Das Glück reicht immer für zwei
bereits auf der Aphrodite geboren worden, wo stets gewärmte, flauschige Badetücher bereitlagen.) Aber mit welchen Figuren?, fragte sie sich. Nanette und Richard? Nanette und dem Mann, mit dem sie womöglich eine Affäre hatte? William und Persia? Persia und Christopher? (Die beiden hatten sich zu einem Abendessen in Christophers neuem Restaurant getroffen, wo es
zu einem unerwarteten heißen Flirt zwischen den beiden kam.) Was war das Beste für ihre Figuren?, fragte sie sich. Was war das Richtige?
Es sind keine wirklichen Menschen, ermahnte sie sich. Ich kann mit ihnen machen, was ich will. Und doch wusste sie, dass das nicht stimmte. Sie wusste, dass ihre Figuren längst die Kontrolle übernommen hatten. Sie konnte nur hoffen, dass sie wussten, was sie taten.
22. Kapitel
POSITION: SIERRA BONITA, COSTA DEL SOL, SPANIEN.
WETTER: KLARER HIMMEL. WIND: SÜDLICH, 3 KM/H.
TEMPERATUR: 21°. LUFTDRUCK: 1010.2 MBAR.
Mia saß auf den Stufen ihrer Veranda und blickte über das Tal hinweg zum Meer, das als schmaler silbrigblauer Streifen am Horizont zu erkennen war. Eine sanfte Brise trieb vertrocknete Bougainvilleablüten über die Fliesen und ließ das Muschel-Windspiel, das an einem Holzbalken der Terrasse befestigt war, sanft klirren. Sonnenlicht rieselte durch das Dach aus Kletterpflanzen, besprenkelte ihre Beine und wärmte ihr die Schultern. Hundegebell zerriss die träge vormittägliche Stille. Der Hund gehörte der Familie Ferrero auf der anderen Seite des Tals und bellte immer dann, wenn José Ferrero in die Auffahrt seines Hauses einbog. Mia wusste, dass jetzt gleich die Tür des Jeeps zugeschlagen würde, gefolgt von Pepes noch aufgeregterem Bellen, ehe es wieder still wurde, sobald der Hund seinem Herrchen ins Haus gefolgt war.
Es wurde wieder ruhig in dem Tal. Noch war es zu früh für die Gäste, die im Sommer bei Carmen Colange Quartier bezogen und sich ausgelassen und laut an dem azurblauen Pool vergnügten. Noch war Sierra Bonita nicht von den üblichen Urlaubsgeräuschen erfüllt. Es war die ruhige Zeit vor dem Sommer, die die meisten Einheimischen, Mia eingeschlossen, sehr genossen.
Und doch spürte sie, wie ihr, aus irgendeinem lächerlichen Grund, Tränen in die Augen traten. Zunächst schob sie ihren Anflug von Melancholie auf die malerische Szene, die sich ihren Augen
darbot – das grüne Tal, der blaue Himmel mit der strahlenden Sonne; der Anblick war so schön, dass er ihr Herz berührte. Aber sie wusste, dass es nicht nur daran lag. Der wahre Grund war, dass sie die Schönheit dieses Ortes mit niemandem teilen konnte.
Wie dumm, plötzlich in diese Stimmung zu verfallen, da sie sich doch so auf ihren freien Tag gefreut hatte. Am Morgen war sie noch glücklich gewesen, als sie Allegra in der guardería infantil zurückgelassen hatte, mit der Aussicht, dass sie zusammen mit ihrer Freundin Loli am Nachmittag von deren Mutter Ana Fernandez abgeholt würde, um deren Geburtstag zu feiern. Mia hatte geplant, zum Einkaufen nach Málaga zu fahren und vielleicht am Strand eine Kleinigkeit zu essen. Doch wieder zurück in der kleinen Villa war ihr mit einem Mal aufgefallen, dass sie dringend mal wieder Hausputz machen musste. Selbst überrascht von ihrem plötzlichen Anfall von Häuslichkeit hatte sie die Gunst der Stunde genutzt – Hausarbeit zählte normalerweise nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen – und sich mit warmem Wasser, Bienenwachspolitur und Mikrofaser-Putztüchern in die Arbeit gestürzt. Und darüber ihren Ausflug nach Málaga vergessen.
Dann – sie war gerade dabei, die Putztücher auszuspülen – hatte Sergio von der Stadtverwaltung angerufen, um ihr mitzuteilen, dass die Englischkurse erst später im Jahr wiederaufgenommen würden. Man sei zu beschäftigt mit anderen Projekten, aber gegen Ende des Sommers würde man wieder auf sie zukommen. Es tue ihm leid, hatte er hinzugefügt, wenn er ihr damit Unannehmlichkeiten bereite.
Sie erwiderte, das sei kein Problem und natürlich komme sie gern im Herbst wieder, ehe sie rasch auflegte, damit Sergio ihren besorgten Ton nicht bemerkte. In Wahrheit war sie auf ihren Job bei der Kommune angewiesen. Sie brauchte das Geld. Was, zum Teufel, sollte sie denn jetzt tun?
Als sie vor ein paar Jahren in das Städtchen gezogen war, hatte sie zunächst in einer Bar gearbeitet, doch egal, was sie Paula
damals erzählt hatte, der Job war für sie als Mutter eines kleinen Kindes völlig ungeeignet. Doch sie hatte Glück gehabt, denn dann bot
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