Das Glück reicht immer für zwei
man ihr kurzfristig einen Job in einer Kunstgalerie an, wo die Arbeitszeiten wesentlich günstiger für sie waren, außerdem machte ihr der Job Spaß.
Und obwohl sie sicher war, auch jetzt wieder einen Job zu finden, wusste sie doch, dass sie es sich nicht lange leisten könnte, arbeitslos zu sein. Sie musste Miete für das Haus bezahlen, und im nächsten Monat war die Autoversicherung fällig, außerdem waren da die Nebenkosten wie Strom und Wasser und … Warum bin ich so schlecht darin?, fragte sich Mia. Warum komme ich nicht besser mit einer solchen Situation klar?
Sie zog die Knie an und stützte das Kinn darauf, während sie ins Tal hinabblickte und versuchte, die aufsteigende Panik zu bezwingen. Sie hatte es immer irgendwie geschafft, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und bestimmt würde sie es auch in Zukunft schaffen. Sie ärgerte sich, dass ihr Herz mit einem Mal wie wild schlug, nur weil sie Geldsorgen hatte. Sie wünschte, sie hätte mehr von der Summe zurückgelegt, die Britt ihr für ihre Assistenztätigkeit bei der Kreuzfahrt bezahlt hatte, statt in jedem Hafen, in dem sie angelegt hatten, T-Shirts und andere Geschenke für Allegra zu kaufen. Aber wozu verdiente man Geld, wenn man sich nicht (wenigstens ab und zu) etwas Schönes davon kaufen konnte?
Geld war ihr noch nie wichtig gewesen. Auch jetzt brauchte sie es nicht, um glücklich zu sein, sondern einfach nur, um über die Runden zu kommen. Eine kleine Geldspritze wäre durchaus hilfreich, um ihren Stresspegel zu senken. Mia wischte sich die Tränen von den Wangen. Dabei wusste sie, dass es nicht nur ums Geld ging. Es ging um etwas ganz anderes, Grundlegenderes.
Seit sie aus Irland zurückgekehrt waren, hatte Allegra immer wieder gefragt, warum sie keinen Wii habe und keine Brüder wie Luke und Barney, und warum ihr Papa nicht bei ihnen lebe so wie James bei Sarah. Mia hatte ihr erklärt, dass nicht jeder Papa
bei seiner Familie lebe, woraufhin Allegra trotzig das Kinn gehoben und erwidert hatte, die meisten Väter aber schon, so wie Lukes und Barneys Papa, und wo bitte sei ihr Papa? Liebte er sie vielleicht nicht?
Was konnte Mia auf eine solche Frage antworten? Sie konnte nur sagen, dass er sie natürlich liebe, doch dann wollte Allegra wissen, warum er dann nicht bei ihnen sei, wenn er sie liebe. Seither kam sie immer wieder darauf zurück, ebenso wie auf den verdammten Nintendo! Wobei ein Wii das Letzte war, was Mia im Moment Sorgen bereitete.
Als Britt gemeint hatte, Alejo müsse unbedingt von Allegras Existenz wissen, hatte sie bestimmt an Situationen wie diese gedacht. Wie würde sich Alejo fühlen, wenn er erführe, dass sie hier saß und sich den Kopf zerbrach, weil sie nicht wusste, wie sie die Autoversicherung und die Miete für den nächsten Monat bezahlen sollte, und insgeheim froh war, dass die Nächte bereits angenehm lau waren, sodass sie keine Heizung mehr brauchte, aber auch noch nicht so heiß, dass sie nicht mehr ohne Klimaanlage auskam.
Allegra verdiente mehr als das, dachte Mia. Sie verdiente eine Mutter, die ihr ein bequemes, sicheres Zuhause bieten konnte. Und vielleicht verdiente sie auch einen Vater, der von ihrer Existenz wusste. Aber wenn sie Alejo reinen Wein einschenkte, würde sie unweigerlich seine Familie in Mitleidenschaft ziehen. Dabei war genau das der Grund gewesen, ihn gehen zu lassen, ohne ihm etwas von ihrer Schwangerschaft zu sagen.
Mia stellte sich vor, wie Alejo jetzt lebte. Mit Belén und ihrem Kind zu Hause auf der Terrasse (einer sehr viel größeren Terrasse als ihrer) mit Blick auf die Sierra Nevada. Mia wusste nicht einmal, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen hatten. Als sie sie auf dem Platz in Granada gesehen hatte, konnte sie es nicht erkennen, da Belén sich gerade über den Buggy beugte, um die Decke über dem schlafenden Baby zurechtzuzupfen. So wie sie miteinander
umgegangen waren, lachend und vergnügt plaudernd, hatten sie anscheinend ihre Ehekrise überwunden, dachte Mia nicht ohne Bitterkeit. Sie schienen glücklich zu sein. Beléns Schwangerschaft hatte die Dinge offenbar wieder ins Lot gebracht.
Sie kniff die Augen zusammen und wischte entschlossen die Tränen von ihren Wangen, während sie sich fragte, warum sie eigentlich weinte. Seit ihrer Rückkehr von der Kreuzfahrt hatte sie kein einziges Mal mehr einen Anflug von Verzweiflung verspürt wie bisweilen zuvor, wenn sie allein war. In Momenten der Einsamkeit rief sie sich Steve Shaw ins Gedächtnis, wie er sie geküsst
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