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Das Glück reicht immer für zwei

Das Glück reicht immer für zwei

Titel: Das Glück reicht immer für zwei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheila O'Flanagan
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gewesen, ob er überhaupt an Bord der Aphrodite gehen sollte. Noch als man ihn nach dem langen Flug von London zusammen mit den anderen aufgeregt plappernden Urlaubern am Pier begrüßt hatte, hatte er sich
gefragt, was er hier eigentlich tat, warum, um Himmels willen, er überhaupt gekommen war. Er hatte sogar in Erwägung gezogen, den nächsten Rückflug zu nehmen. Oder ein, zwei Nächte in Barbados zu bleiben, bevor er zurückkehrte. Doch dann nahm er die Aphrodite in Augenschein, die einladend angestrahlten Decks und die weißen Lichterketten, die sich vom Schornstein zu Bug und Heck zogen, gleich einem Versprechen, das Spaß und Vergnügen verhieß. Da rief er sich wieder ins Gedächtnis, was alle ihm oft genug geraten hatten, dass er sein Leben weiterleben müsse. Wobei ihm die Reise, die er im Begriff war anzutreten, als ziemlich herzlose Art des Weiterlebens erschien. Aber egal, was manche Leute von ihm dachten, er war nicht herzlos. Die Vorstellung, auf der Aphrodite zu reisen, war im Gegenteil eine harte Prüfung für ihn. Eine Art symbolischer Akt, dem er sich unterziehen musste. Also wartete er, bis die letzten Passagiere an Bord gegangen waren und die hübsche Fotografin sich zum Gehen gewandt hatte, bis er quasi im Laufschritt die Gangway erklomm und die elegante Marmorlobby der Aphrodite betrat.
    Ein Crewmitglied, das in blütenweißer Uniform hinter der Tür stand, erkundigte sich nach der Nummer seiner Kabine. Als Leo ihm sagte, er habe die Delphi-Suite gebucht, schenkte der junge Mann ihm ein strahlendes Lächeln.
    »Es ist uns ein Vergnügen, Sie an Bord willkommen zu heißen, Mr Tyler«, sagte er, woraufhin Leo ihn überrascht ansah. Er hatte nicht erwartet, mit seinem Namen angesprochen zu werden, auch wenn auf der Webseite der Blue-Lagoon-Reederei damit geworben wurde, dass jeder Passagier wie ein Freund behandelt werde. Die geschäftsmäßige Seite von Leos Gehirn überlegte, ob der junge Mann tatsächlich die Namen sämtlicher Passagiere auswendig kannte oder ob er und seine Kollegen angehalten waren, sich nur der Namen jener Dummköpfe zu erinnern, die ein Vermögen für die teuersten Suiten ausgegeben hatten. Die teuerste, die Oceanus, hatte, wie er wusste, ein pensionierter Geschäftsmann nebst
Gattin reserviert, die sechs Monate des Jahres auf der Aphrodite verbrachten.
    Leo war nicht der Meinung, dass man automatisch ein Dummkopf war, wenn man ein Vermögen für das Beste ausgab, aber manchmal musste man einfach akzeptieren, dass man sich das Beste nicht leisten konnte. Wobei er dieses Prinzip für sich selbst nicht gelten ließ. Er hatte sich noch nie damit abgefunden, dass es etwas gab, was er nicht haben konnte, sondern hart gearbeitet, um sich seine Wünsche erfüllen zu können. Und bislang hatte das Leben ihm recht gegeben.
    Die Menschen hielten ihn für einen Glückspilz. Seine Freunde – allen voran sein bester Freund Mike – sagten oft zu ihm, er wisse sein Glück gar nicht zu schätzen. Bisweilen ging ihm dieses Gerede auf die Nerven, denn sein Glück kam nicht von ungefähr. Er arbeitete hart und lange und sorgte dafür, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Und das versetzte ihn in die Lage, wenn sich die richtige Gelegenheit ergab, sich das Beste zu leisten.
    Deswegen hatte er einige Monate zuvor, als seine Welt noch vollkommen in Ordnung schien, die Delphi-Suite gebucht. Als er mit einer Verkaufsberaterin der Reederei telefonierte, meinte diese zunächst, sie könne nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Suite noch verfügbar sei. Ein Stammgast habe eine vorläufige Reservierung für denselben Zeitraum gemacht, und sie müsse erst klären, ob es dabei bleibe. Doch dann rief sie ihn zurück und erklärte ihm, dass der Stammgast doch nicht an der Valentins-Kreuzfahrt teilnehmen wolle, sondern sich für andere Reisedaten entschieden habe. Leo könne sie also haben.
    Damals betrachtete er es als Glück. Vielleicht war das der letzte glückliche Umstand in seinem Leben gewesen.
    Er spürte das Hämmern seines Herzens in der Brust und bemühte sich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Es lag nicht an ihm. Es war nicht seine Schuld. Andere hatten ihre Hände im Spiel gehabt. Er war nur der unbeteiligte Dritte gewesen. Er brauchte
sich nichts vorzuwerfen. Das wusste er. Von der Logik her hätte er eigentlich damit klarkommen müssen. Was Leo jedoch Sorgen bereitete, war der Umstand, dass ihn die Logik, ein Gut, das ihm in der Vergangenheit immer reichlich zur Verfügung

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