Das Glück reicht immer für zwei
hübsches Paar und offensichtlich sehr verliebt, dachte Mia. Wie geschaffen für die Rolle des romantischen Liebespaars. Wo hingegen Alejo und ich kein bisschen romantisch waren. Damals dachte ich, wir seien es. Ich dachte, es sei das Wichtigste, was mir je im Leben passiert ist. Aber Britt hat recht. Es war nicht Liebe auf den ersten Blick, sondern Begierde.
Sie spürte, wie sich ihre Kiefermuskeln verkrampften. Und doch … und doch … Sie hatte ihn geliebt. Sie liebte ihn immer noch, als sie von Belén erfuhr und sie sich klar wurde, dass er sie verlassen und nach Spanien zurückkehren würde. Sie hatte ihn gehasst und gleichzeitig geliebt und nie aufgehört, ihn gleichzeitig zu hassen und zu lieben. Und deswegen würde sie nie im Leben mehr Ausschau nach einem anderen Mann halten – wie sollte sie, da sie den Richtigen glaubte gefunden zu haben? Auch wenn sie ihn an eine andere verloren hatte. Oder ihn gar nie wirklich besessen hatte.
Die Paare hatten sich entfernt, und Mia war allein. Sie setzte sich in einen der Holzsessel vor der Terrace Bar, die inzwischen geschlossen war, zog die Beine an und stützte das Kinn auf die Knie.
Britt irrte sich, wenn sie meinte, sie kritisieren zu müssen. In Sierra Bonita genoss sie eine Lebensqualität, die sie kaum an einem anderen Ort erreichen könnte. Gut, dann verdiente sie eben kein Vermögen und hetzte sich nicht in einem ständigen Konkurrenzkampf ab, na und? Das war gut so, oder nicht? Im Übrigen fühlte sich Allegra wohl in ihrer Umgebung. Es war ein wunderbarer Ort, um ein Kind großzuziehen.
Außerdem war er nur anderthalb Stunden von Granada entfernt, einer Großstadt, die so sehr von Geschichte durchtränkt war wie kaum eine andere große Stadt, die sie kannte. Sie hatte zwei Tage dort zugebracht, hatte Allegra in ihrem Buggy durch die Alhambra geschoben und begierig die zeitlose Schönheit der Palastgebäude und Gärten sowie den Duft der Orangen und Akeleien aufgesogen und sich im Lächeln der Frauen gesonnt, die Allegra betrachteten und murmelten: »Muy guapa.« Und das stimmte. Allegra war hübsch. Sie hatte Alejos Aussehen geerbt.
Sie hatte Alejo in Granada gesehen. Sie wusste, dass es passieren würde. Er saß auf der Plaza, trank ein Bier und unterhielt sich lachend mit seiner Begleiterin, einer zierlichen Frau mit kurzem, schwarzem Haar und den dunklen Augen der Andalusierinnen. Er lachte und scherzte mit Belén. Mia entfernte sich mit dem Buggy, so schnell sie konnte, und haderte mit sich selbst, als sie feststellte, dass sie ihn noch immer liebte. Ihn immer lieben würde.
Es tat sogar jetzt noch weh, an ihn zu denken, sich in Erinnerung zu rufen, wie es in Guatemala war und wie es sich in Granada angefühlt hatte, sich zu vergegenwärtigen, wie naiv und dumm sie gewesen war, sich überhaupt in ihn zu verlieben und nicht zu spüren, dass es noch eine andere Frau gab, und sich der Illusion hinzugeben, den perfekten Mann gefunden zu haben.
»Alles okay?«
Erschrocken hob sie den Kopf und blickte in Leo Tylers Gesicht. Er trug ein weißes Smokinghemd und eine schwarze Hose, hatte sich aber im Laufe des Abends seines Jacketts und seiner Fliege entledigt. Er sah sie besorgt aus seinen blauen Augen an.
»Natürlich, es geht mir gut.« Sie lächelte. »Aber danke der Nachfrage.«
»Es ist merkwürdig, hier jemandem zu begegnen, der allein ist«, sagte er.
Wieder lächelte sie. »Ja, das ist hier eher ungewöhnlich.«
»Deshalb dachte ich, dass Sie sich vielleicht unwohl fühlen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich genieße die warme Nachtluft und … den Sternenhimmel und so weiter.«
»Ich habe Sie und Ihre Schwester nicht beim Abendessen gesehen.«
»Nein«, sagte Mia. »wir haben zwanglos im Terrace Restaurant gegessen.«
»Ich bin auch kein Freund formeller Abendessen«, sagte Leo. »Aber ich war an den Kapitänstisch eingeladen und wurde mit vorzüglichem Essen entschädigt.«
»Das Essen ist hier überall gut.« Mia wunderte sich, wie nett Leo auf einmal sein konnte. »Sie haben bestimmt im Smoking großartig ausgesehen. Ihr Hemd ist auch klasse.«
Er lächelte. Er war attraktiv, wenn er lächelte. Nun, er war nicht ihr Typ, wie sie abermals feststellte. Aber dennoch schön anzusehen. Sie hatte ihm längst verziehen, während der Busfahrt in Grenada so abweisend gewesen zu sein. Denn bei ihrer Rückkehr am Pier hatte er ein zerknirschtes Gesicht gemacht und gemurmelt, er werde nie mehr eine ganze Flasche Champagner allein
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