Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
wichtig es sei, die Mehlschwitze tiefgolden anbräunen zu lassen, ehe man die Milch dazugab. Beim Kochen in seiner Landhausküche entdeckten wir unsere jeweilige Vergangenheit; ich präsentierte ihm mein Arsenal an vegetarischen Genüssen aus Los Angeles mit demselben Stolz und Enthusiasmus, mit denen er mir seine Fleischgerichte vorsetzte. Unsere zwei Welten verschmolzen zu gehaltvollen, kalorienreichen Abendessen. Ich gewöhnte mir an, jeden Morgen im YMCA meiner Heimatstadt am Step-Aerobic teilzunehmen, damit meine Anne-Klein-Jeans nicht zu eng wurde. Es war die Zeit der Liebe, nicht des Quetschens.
Währenddessen zerbröckelte zu Hause die Ehe meiner Eltern vor meinen Augen. Ich liebte meine Eltern heiß und innig. Doch wenn man als Erwachsener zusehen muss, wie die dreißig Jahre alte Beziehung von Mutter und Vater implodiert und sich in ihre Bestandteile auflöst, hat man das Gefühl, ein Eisenbahnunglück in Zeitlupe zu beobachten. Die Eltern sind die Lokführer, und die Familie, viele langjährige Freunde, die künftigen Enkelkinder, die Gemeinschaft im Ort, die Erinnerungen, Hoffnungen und Träume sind die Fahrgäste. Alle werden bei einem verheerenden Unfall ums Leben kommen. Man selbst ist natürlich auch im Zug. Doch gleichzeitig sieht man von außen zu. Man will schreien, versucht die Lokführer vor der bevorstehenden Katastrophe zu warnen. Doch es ist wie in einem Albtraum: Die Stimme fiepst, man bekommt keinen Ton heraus. Man kann es nicht aufhalten.
Ich wollte fort, ich wollte nur noch raus. Die Probleme meiner Eltern offenbarten sich nicht in zerschmettertem Geschirr, Geschrei, Türenschlagen oder peinlichen Szenen. Nein, sie äußerten sich in geflüsterten Gesprächen, angespannten Mienen, aschfahlen Gesichtern und gelegentlich müden, geschwollenen Augen. Lautstarke Auseinandersetzungen wären vielleicht sogar besser gewesen; dieses langsame, qualvolle Sterben war kaum mit anzusehen. Jedes Mal, wenn ich durchs Haus ging und die Anspannung in der Luft spürte, wollte ich nur noch weg. Ich wollte meine Sachen packen, mein gesamtes Geld von der Bank abheben und verschwinden.
Doch ich war gefangen – gefangen in der wunderbaren, unentrinnbaren Teergrube meiner Liebe zu einem wettergegerbten, toughen, unglaublich zärtlichen Cowboy. Sobald ich auch nur erwog, vor den Problemen meiner Eltern nach Chicago zu fliehen, besann ich mich innerhalb von Sekunden. Es musste schon etwas Schlimmeres geschehen, um mich seinen Armen zu entreißen.
Marlboro Man war der Inhalt meiner Tagträume, meiner Gedanken, er war mein Zeitvertreib, erfüllte mein Herz und meinen Kopf. Wenn ich bei ihm war, konnte ich die Eheprobleme meiner Eltern vergessen. Wenn wir unterwegs waren, zusammen kochten und Actionfilme auf Video schauten, verschwanden all diese unerfreulichen Dinge aus meinem Blickfeld. Das Zusammensein mit ihm wurde für mich zu einem Fluchtweg, einer abhängig machenden Droge. Zehn Sekunden in seinem Pick-up, und ich sah nur noch Güte und Licht. Und hin und wieder eine alte Frau in BH und Unterhose, die ihren Rasen mähte.
Komplizierter wurde alles noch durch die Leidenschaft und Lust, die ich für ihn empfand; sie waren stärker als alles, was ich bisher in meinem Leben kennengelernt hatte. Manchmal machte ich mir darüber Gedanken, so wie ein Trinker vielleicht seinen zweiten, dritten oder vierten Whisky hinterfragt. Das konnte doch nicht gut für mich sein, oder?
Doch ganz tief in mir war es mir egal. Und selbst wenn es mir nicht egal gewesen wäre, hätte ich nichts dagegen tun können. Wenn Marlboro Man schwarzgebrannter Alkohol gewesen wäre, hätte ich ihn während der Prohibition fässerweise über Staatsgrenzen geschmuggelt und ihn unterwegs genossen; wäre er eine Droge gewesen, hätte ich mir das Haar abgeschnitten und verkauft, um mir die nächste Dosis zu sichern; hätte er am Fuß einer Klippe gestanden, wäre ich hinuntergesprungen, um bei ihm zu sein.
Wenn er sich irrte, wollte ich nicht recht haben.
Wohin sollte das führen? , fragte ich mich manchmal. Auch wenn ich meine Pläne für Chicago zurückgestellt hatte, auch wenn ich wusste, dass der Versuch sinnlos war, einen Tag ohne Marlboro Man zu überstehen, auch wenn ich wusste, wie verliebt ich war, dachte ich doch manchmal, das sei ein vorübergehender Aufschub meiner Pläne, Flausen, die ich mir aus dem Kopf schlagen musste, um dann mit dem Rest meines Lebens weiterzumachen. Als sei ich einen heißen Sommer lang im Zeltlager der
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