Das Glück von Brins Fünf
Gegenwart hatte sich zurückgezogen.
Schwarzlocke ging, die Muskeln wie eine müde Omor wölbend, umher und fluchte im stillen. „Garl Brinroyan, Ihr seid auf einen alten Streit gestoßen. Nantgeeb haßt die Veranstaltungen des Vogel-Clans“, sagte er.
„Ich mag sie auch weniger als zuvor“, sagte Taucher, „aber mit Eurer Hilfe, Murno, mein guter Freund, werden wir an all diesen Netzen vorbeifliegen.“
Schwarzlocke lächelte wieder und legte sogar eine Hand auf meinen Kopf, um mich aufzumuntern. „Begleiter, du hast deinem Glück einen guten Dienst geleistet!“
Wir traten alle zusammen aus dem Seidenzelt in den Sonnenschein des Neujahrs und bahnten uns durch gedämpften Jubel und Gruß den Weg zu dem grünen, inzwischen mit Girlanden geschmückten Zelt, wo Brin und Ablo warteten.
Als ich Brin wiedersah, füllten sich meine Augen mit Tränen, wie die eines Kindes, das nach einem Hinfallen erst weint, wenn seine Mutter es tröstet. Aber ich weinte nicht. Wir setzten uns in das Zelt, und ich berichtete wahrheitsgemäß alles, was geschehen war. Die Aufgabe, solche Berichte zu erstatten, wie ein Zeuge es mitunter tun muß, ist nicht leicht, und ich beneidete Narneen nicht darum, das ihr Leben lang tun zu müssen.
Nachdem ich alles erzählt hatte, wandte sich Brin Taucher zu. „Wir haben ein großes Glück“, sagte sie, „nicht weil er den Wettflug des Vogel-Clans gewonnen hat, sondern weil er seinem Bündnis treu bleibt.“
7
Die Schlußzeremonien des Vogel-Clans wurden abgekürzt wegen Jebbals Tod bei dem Wettflug. Immerhin beanspruchten sie mehrere Stunden, teilweise mit dem Aussortieren und Zusammenrechnen unserer Gewinne. Sie wurden in fünf mit Rädern versehene Körbe gesteckt, ein jeder groß genug, um zwei bis drei Moruianer aufzunehmen, und zwar im Pavillon des Startmeisters. Ablo erhielt einen großzügigen Anteil davon und verließ uns, um sich an die Spitze einer aus Schwarzlockes Eskorte gewählten Wache zu stellen; das erfreute ihn fast ebensosehr wie der Stoff und die Münzen, die er gewonnen hatte.
Die Tore waren bereits geöffnet worden, und die Mitglieder des Vogel-Clans strömten zum Messegelände, um Neujahr zu feiern. Eine Brücke geschmückter Kähne lag am Flußtor; die doppelbögige Brücke an der Zitadelle vorbei war mit Blumen umwunden. Flugmaschinen flogen über den Köpfen immer noch davon. Taucher unterwies Fer Utovangan, wie er Tomarvan unter Kontrolle bringen konnte, und machte einen kurzen Probeflug. Es wurde verabredet, daß Fer und Schwarzlocke am nächsten Tag oder am Tage danach losfliegen sollten.
„Ich kümmere mich um Euren Vogel“, sagte Fer. „ Tomarvan wird nichts zustoßen, und ich hoffe, daß Ihr ihn wieder fliegen werdet.“ Denn er konnte Taucher ansehen, daß er die Flugmaschine liebte und sich eigentlich nicht von ihr trennen wollte.
Endlich waren wir aufbruchsbereit, um unsere Familie an dem guten Standort zu finden, den der Harfner uns auf seiner Rune mitgeteilt hatte, beim Stoffmarkt. Es war üblich, daß der Sieger auf dem ganzen Weg zum Sonnenteppich, der berühmten Tanzfläche in der Mitte des Messegeländes, von der spielenden Kapelle der Vogel-Clan-Vasallen begleitet wurde, und man hatte Verständnis dafür, daß wir das aus Respekt für Jebbal ablehnten, aber wir hatten auch andere Gründe dafür.
Wir brachen in der dritten Nachmittagsstunde auf, drei unbeschriebene Moruianer, zwei Erwachsene und ein Kind, eingehüllt in schlichte graue Seidenumhänge. Wir gesellten uns zu der Menge, die sich über die doppelbögige Brücke drängte, und endlich fühlte ich, wie meine Stimmung sich hob. Wieder zu Hause. Nach so langer Zeit zu Hause in dem Zelt mit Mamor, dem Harfner, der Alten Gwin, Narneen und Tomar, die uns erwarteten. Es war ein Tag, an dem nichts anderes als Freundschaft vorherrschen sollte. Die Gesichter, die ich überall erblickte, lächelten; es gab kein böswilliges Gerangel. Kinder rannten in der Menge herum und schwenkten bunte Messewimpel aus einer an einem Stock befestigten Wolle. Als wir an der Zitadelle vorbeikamen, hielt Brin plötzlich an, dann gingen wir über den zweiten Bogen nach Otolor.
„Ich habe geglaubt, daß jemand uns folgte … im Gewand eines Wirblers.“
„Petsalee“, rief ich. „Ich habe ihn gesehen, ja gesehen …“ Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, ehe der Wettflug gewonnen wurde, ehe Jebbal den Tod fand.
Wir standen im Schatten einer Imbißbudenmarkise und blickten lange hinter uns,
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