Das glückliche Ende der Welt.
bemerkte der Ambros. »Laß die Finger davon, für solche Geschäftel bist du zu dumm. Kannst deinem Alten einen Zettel schreiben, daß du nun deine Ruhe haben willst, und wenn er sich bei uns einmal blicken läßt, dann schlag ich ihm das Kreuz ab! Wenn es laut-maulig wird, dann kannst du abziehen von der Gschwend. Wenn ich das überdenke, könnt ich dich noch einmal verdreschen!«
»Nix mehr tu ich, aber du mußt mir helfen, wenn sie mir recht zusetzen«, meinte der Kaspar.
»Darauf kannst du dich verlassen!« stellte der Ambros grimmig fest.
»Er hat ja nix gestohlen und sonst auch nix angestellt«, legte sich die Burgl nun für ihren zerknirschten Mann ein, »hat ja niemand einen Schaden, und das bissei Schmuggeln kann ja kein Verbrechen sein.«
»Wenn einer gescheit ist«, zahnte der Ambros, »dann laß ich es mir ja eingehen, aber die Dummheit ist strafbar.« Damit beendete er das Gespräch, und weil man sich wieder zusammengeredet hatte und keine Feindschaft zwischen den zwei Häusern auf der Gschwend aufgekommen war, holte die Lina den angesetzten Heidelbeerschnaps, und sie wurden wieder lustig. Der Kaspar hobelte auf der Mundharmonika seine Leibpolka und riß seine Burgl tanzend durch die Stube, bis ihm der Atem ausging und er nur mehr heiser sang:
»Haben wir ein Glück, haben wir ein Glück —«
Da zog auch die Lina den widerstrebenden Ambros von der Bank zu einem Tänzchen.
Ihr Stampfen und Singen rummste und summte im hölzernen Haus. Draußen war die Spätsommernacht mit dem Zwielicht auf der Lichtung der Gschwend und dem schwarzen, schweigenden Wald.
Vor dem Fenster stand lauschend und in sich hineinlachend der Förster Greiner und hörte dem Tumult zu.
Das sind Leute wie die Waldwurzeln! dachte er und entfernte sich kopfschüttelnd. Die taten, als hätte ihnen das Leben wirklich alles gegeben, was sie sich erhofft hatten! Diese bescheidenen Menschen wurden mit der Einschicht fertig und machten aus der Einöde eine glückhafte Insel.
Warum konnte es im Forsthaus nicht ebenso sein? Warum sah seine Frau in diesem herrlichen Wald nur einen Feind, der sie schwermütig machte? Nun hatte sie schon wieder Angst vor dem Winter und sprach jeden Tag von der Versetzung, auf die sie wartete wie ein Kind auf den Weihnachtsengel — auf die Versetzung, die er noch gar nicht eingereicht hatte. Einmal mußte er ihr die Wahrheit sagen und ihr endgültig erklären, daß er in diesem Wald bleiben wolle — bleiben müsse. Vor dieser Stunde graute ihm.
Er konnte nicht gehen, ehe er nicht die Lumpen zur Strecke gebracht hatte, die diesen Wald leerschossen, ohne Rücksicht auf die Schonzeiten, die das Wild elend in ihren Schlingen verrecken ließen. Sollte er sich die vielen Nächte umsonst um die Ohren geschlagen haben? Sollte er gehen und die Lumpen hinter sich herlachen lassen?
Auf den Feldern um Stinglreut welkte das Kartoffelkraut, das Grummetheu war eingebracht, und die Sonnenstrahlen hatten ihre Schärfe verloren. Auf dem Hochruck hatte der erste Nachtreif die dürrenden Berggräser gesteift. Sie rauschten unter dem Tritt des alten Waldhirten. Die Stiere hatten sich in der Nacht zusammengedrängt und ließen sich von der Morgensonne die breiten Rücken aufwärmen. Es wurde Zeit zum Abtrieb, der Hirtensommer war zu Ende.
Der Schreindl räumte seine Hütte auf, hob einen Herdstein zur Seite und zog aus einer Vertiefung im Boden einen Lederbeutel. Sein angegrautes Haar war im Sommer lang geworden und hing ihm auf die Schultern, und der Bart war dicht und verfilzt und bedeckte fast das ganze Gesicht.
Zufrieden murmelnd, verbarg er den Lederbeutel unter dem schmutzigen Hemd. Für ihn war es ein gutes Jahr gewesen. Dreimal war die Grenzstreife erschienen und hatte seine Herde abgezählt und nachgeprüft, ob er nicht landfremdes Vieh aufgenommen hatte. Doch jedesmal hatte der Wirtssepp von Stinglreutzur rechten Zeit die überzähligen Ochsen oder Jungstiere von der Weide geholt und in die Stadt getrieben. So hatte der Reibenwirt auch zum Abtrieb nochseine sechs Stückl Vieh auf der Waldweide, die er im Frühjahr mit aufgetrieben hatte. Nun, die Bauern drunten wußten Bescheid, doch sie schwiegen, denn auch in ihren Ställen stand manches Stück, das sie vom Wirt und Viehhändler günstig erworben hatten, und für dessen Herkunft sie ohne die Bestätigung des Josef Obermeier keinen Nachweis hätten führen können. Die Rechnung war also aufgegangen, und dem Schreindl war über die Bierschulden des vergangenen
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