Das glückliche Ende der Welt.
wenn einen der Koller packt, dann muß er abziehen, weil der in der Einschiebt auch net mehr geheilt werden kann.«
Vor dem nun tief im Schnee steckenden Gedenkstein auf der Gschwend hatten sie alle eine Scheu, und selten versäumten sie es, sich zu bekreuzigen, wenn sie in der Dunkelheit daran vorbei mußten.
»Wäre gerade die Zeit und Stunde dazu, Lina«, regte die Burgl an, »da könntest uns die Geschichte einmal ganz erzählen. Weißt sie ja von deinen Eltern.« Die Lina sah fragend nach dem Ambros.
»Erzähl nur, wenn es dich net aufregt«, meinte dieser, und sie setzte sich zurecht, stützte die Arme auf den Tisch und begann mit leiser und müder Stimme:
»Ich fürcht mich selber heut noch vor dem Stein, obwohl ich da heroben aufgewachsen bin. Als Kind hab ich mich alleweil net daran vorbeigetraut. Gewesen ist es in den neunziger Jahren. Damals sind der Mautner Hiasl und der Ammer Girgl mit ihren Frauen und Kindern auf der Gschwend gewesen. Eigentlich stehen ja die Gschwendhäuser schon bald zweihundert Jahr. Also, es hat lange Zeit gutgetan zwischen den zwei Familien, aber wie es so geht, hat eben die lange Freundschaft urdings einen Riß erhalten. Der Mautner Hiasl ist ein ruhiger, sparsamer und fleißiger Holzhauer gewesen, der kein Wirtshaus von innen gesehen hat. Sein Häusl ist aber gewesen wie ein Schmuckkästlein, so sauber und gut eingerichtet. Die Seinige hat zu ihm gepaßt und gut hausgehalten. Ist ein braves Weib gewesen. Auch dem Girgl seine erste hat ihr Zeug zusammengehalten, obwohl der Girgl gern einmal ins Dorf hinuntergegangen ist und auch manchmal einen Rausch heimgebracht hat. Sie ist aber lungenfäulig geworden und gestorben, und weil der Girgl noch ein junger Mann gewesen ist, hat er sich eine zweite zugelegt, eine von drüben, die er auf der Stubenbacher Kirchweih kennengelernt hat. Daß sie zur Arbeit nichts taugte und von ihren Eltern aus dem Haus gejagt worden war, das hat der Girgl erst nach der Heirat erfahren. Erst hat sie recht süß und scheinheilig getan, ist den ganzen Tag im Bett gelegen und hat alles verschlampen lassen. Wie der Girgl das einmal anders haben wollte, sind für ihn die Hundstage angegangen. Ist natürlich in die Freundschaft zwischen den zwei Gschwendhäusern auch bald der Wurm hineingekommen, weil sich die Böhmin an der Ordentlichkeit vom Hiasl der Seinigen doch leidgesehen hat. Da hat sie das Hetzen angefangen und dem Girgl allerhand vorgelogen — ein loses Maul hat sie auch gehabt und viel gestritten, und schließlich sind sich auch die zwei Mannsbilder ausgewichen. Er hat zu saufen angefangen und ist seinem Weib nimmer heimgegangen. Wenn er dann im Rausch gekommen ist, haben sie gerauft wie die Hofhunde. Dann ist einmal die Mettennacht gewesen, und da istes passiert. Den Girgl hat die Seinige mit Schnaps tollgemacht und ihm eingeräumt, der Hiasl hätte zu ihrans Kammerfenster kommen wollen. Sie hat gehetzt und gehetzt, bis sich der Girgl in seinem Rausch nimmer ausgekannt hat. Beim Mautner Hiasl haben sie das Christkindl gerade kommen lassen, und sie sind mit den Kindern um den Baum gestanden, als der Girgl drüben aus dem Haus gesprungen ist und ihnen mit ein paar Eiszapfen die Fenster eingeworfen hat. Da ist halt dem Hiasl die Geduld gerissen. Er hat einen Prügel genommen und ist hinaus.
Der Hiasl ist ein mächtiges Mannsbild gewesen, und da hat es der Girgl mit der Angst bekommen. Er wollte sich in sein Haus retten, derweil hatte aber das böhmische Weibsbild die Haustür zugesperrt. In seiner Angst wollte der Girgl in den Wald hinüberlaufen, aber bei den Ahornen hat ihn der Hiasl erwischt und niedergeschlagen. Na ja, nun hat er gemeint, er hat dem Girgl einen Denkzettel gegeben, und ist wieder ins Haus. Wie sie aber am Weihnachtstag in der Früh in die Kirche nach Stinglreut hinuntergehen wollten, liegt der Girgl draußen bei den Ahornen und ist tot. Könnt euch denken, was das für die Mautnersleut und ihre Kinder gewesen ist. Den Hiasl haben sie zehn Jahre ms Zuchthaus gesperrt, und wo er, seine Frau und die Kinder dann hingekommen sind, weiß man nicht mehr. Wahrscheinlich hat man die Kinder unter die Bauern gesteckt, und die Mautnerin wird in die Fremd gegangen sein. Dem Girgl sein Weib ist geblieben, weil sie sich nimmer nach drüben getraut hat. Lange ist sie beim alten Reibenwirt als Kuhdirn gewesen, aber weil sie zur Arbeit net viel getaugt hat, hat man sie ins Armenhaus getan. Viele Jahre hat sie herumgebettelt und ist dann
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