Das glückliche Ende der Welt.
selbst dafür, daß keine Langeweile aufkam. Dann war ja auch der kleine Ambrosi da, der Beachtung forderte. Die Burgl wartete auf ihren Tag der Niederkunft, den Kaspar plagte, wenn er längere Zeit in der Stube saß, das Reißen, und der Ambros versäumte kaum die Zeit, wenn der Kuckuck aus dem Uhrenhäusl rumpelte. Pfeifenrauchend stand er dann vor der Uhr und wartete auf die Stunde, konnte sich darüber freuen wie ein Kind. Gerne hatte er den Fuß auf dem Wiegenstaffel und heierte seinen Buben.
An einem Abend packte den Kleinen ein Fieber, und sie saßen beide an der Wiege bis die Nacht um war und der Ambros sich zur Zeit fertigmachte.
»Hast kein bisserl geschlafen«, sorgte sich die Lina, tupfte Daumen und Zeigefinger in das Weihwasserglas am Türstock und zeichnete ihm das Kreuzzeichen auf die Stirne. Es stand noch kein Morgenschimmer über der Grenze, als er mit dem Kaspar davonzog, hinüber zum Hochruck. Stumm begannen sie ihre Schlitten zu beladen, halfen zusammen, um die schweren Stämme aufzuwuchten, die sie erst aus dem tiefen Schnee schaufeln mußten. Als die Stinglreuter schnaufend mit ihren Schlitten ankamen, zogen der Kaspar und der Ambros schon die Ketten um die Ladung und richteten sich zur Abfahrt. In sich gekehrt hörte der Ambros nicht auf die Reden der Männer, die berichteten, daß die Schneebahn falsch und hinterlistig geworden sei und unter dem handhohen Neuschnee eine tückische Eisschicht liege.
»War sein Bübl krank, was ging es da ihn an, was die anderen redeten.
»Packen wir’s!« rief er zum Kaspar zurück, stellte sich zwischen die Hörner und prüfte die Bremskralle.
»Ho—o!« Mit diesem Ruf zeigte einer dem anderen an, daß er mit seiner Fahrt beginne. Mit einem Ruck stellte er den Schlitten in die Geleise und zog an. Die Last drückte nach und lautlos kam die Fuhre ins Gleiten.
Daheim wird die Lina voller Angst bei dem kleinen Ambrosi sitzen, dachte er. Vielleicht war es gut, wenn er drunten vom Lagerplatz weg ins Dorf ginge und den Doktor in der Stadt anrief oder die Hebamme fragte? Konnte er vom Doktor verlangen, daß er den mühseligen Weg zur Gschwend hinauf machte? Vielleicht aber hatte der auch solche Schneebretter wie der Förster?
Die Taghelle war gekommen, und die Wolken hingen tief, fast zum Greifen. Es war alles so duster heute, so tot und traurig, das Schneetuch so grau und glanzlos. Wird noch mehr Schnee kommen!
Die durchwachte Nacht spürte er in den Knochen, und seine Knie zitterten, als er sich gegen den nachdrängenden Schlitten stemmen mußte. Unter dem Neuschnee war es eisigglatt, die Eisen an den Schuhfersen fanden kaum einen Halt, die Bremskralle griff kaum an. Jäh schoß ihm das Blut ins Gesicht, und das Herz krampfte sich ihm zusammen. Er bekam zuviel Fahrt.
Er streckte und bäumte sich zwischen den Schlitten-hörnern, daß er vermeinte, die Knochen müßten ihm brechen, und doch kamen ihm die schneeverhangenen Fichten und die dunklen Stämme immer rascher entgegen, und schärfer wurde der Zugwind, der ihm um die Wollhaube blies und ihn ins Gesicht schlug. Hinter sich hörte er den Warnschrei des nachfahrenden Kaspar.
War es heute aus mit ihm? Hatte er keine Kraft mehr, um den nachdrängenden Schlitten zu halten? Die sausenden Kufen unter ihm zischten wie ein Messer, das in seinen Leib zuckte.
»Heilige Mutter Gottes!« ächzte er und stieß mit letzter Kraft die eiserne Kralle unter den Schlitten. Der Schlitten fing zu schlagen und zu stoßen an und die Kralle flog zur Seite. Der helle Angstschweiß kam aus seinem ganzen Körper, und die Arme zitterten. In den Ohren hatte er das Rauschen und Plodern des Zugwindes — und der Schlitten raste. Nie würde er den Schlitten bei dieser Fahrt drunten um die Kurve über die Teufelsschlucht bringen.
Ausspringen mußte er — aber war das bei dieser Fahrt noch möglich? Der Schweiß lief ihm in die Augen und gaukelte ihm eine blaue Wiege vor und ein kleines Gesichtchen, fieberrot.
Die Bäume fingen zu tanzen an und sprangen in die Ziehbahn, schlossen sich zu einem taumelnden Kreis — die Kurve.
Mit letzter Kraft warf er sich über das Schlittenhorn zur Seite und flog mit dem Kopf an den Stamm einer mächtigen Fichte und im selben Augenblick schmetterte die Last einige Meter weiter an eine Buche, wurde hochgeworfen und flog in die Teufelsschlucht hinunter.
Große Schneetücher sanken von der summenden Fichte auf den Ambros nieder und deckten ihn zu und der aufgescheuchte Wald wurde wieder ruhig.
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