Das glückliche Ende der Welt.
sie: Leuchtturmwächter, Wetterwarte und andere, die auf einsamen Posten sind. Wollte auch nicht sagen, daß ihr schlechte Staatsbürger seid«, beschwichtigte ihn der Doktor.
»Wollen wir wieder gehen, meine Burgl —«
Der Doktor, der sich an einen Stamm gelehnt hatte, richtete sich auf und klopfte dem Kaspar auf die Schulter.
»Recht haben Sie — und ich habe allerhand Respekt vor euch. Hier auszuhalten ist ja bestimmt nicht einfach.«
Da lächelte der Kaspar zurück: »Das ist ein Glück, Herr Doktor, und tauschen möchten wir mit gar niemandem.« Er stapfte voran, und der Arzt mußte sich anstrengen, um hinter ihm zu bleiben. Es war dunkel geworden.
Daß der Zufall den Doktor auf die Gschwend gebracht hatte, nahm der Lina einen Stein vom Herzen, und auch die Burgl war froh darüber. Stöhnend wälzte sie sich in ihrem Bett, als die beiden Männer durch die Türe traten.
Um Mitternacht kam das kleine Wesen, ein Mädchen, zur Welt, gerade als der Förster mit der lamentierenden und völlig erschöpften Hebamme aus Stinglreut ankam. Der Doktor gab ihr flüsternd Anweisungen und verließ mit dem Förster wieder die Einöde.
Auf der Guglwies wartete der Pferdeschlitten, und der Doktor zündete die beiden Seitenlampen an. Der Förster geleitete ihn noch hinunter bis zur Straße, wo der Teufelsbach, nun schon wieder brausend, aus der Nacht kam.
In der Stube des Thums auf der Gschwend gab die Wehmutter dem kleinen Kindlein die Nottaufe, wie es ihr der Arzt ans Herz gelegt hatte.
Nach drei Tagen verlöschte das schwache Lebensflämmchen, während die Burgl, mit dem Kindbettfieber ringend, schwer daniederlag. Der Kaspar saß, halb betäubt von den schlaflosen Nächten und stumpf vor sich hinstarrend, am Bett und hielt die heiße, zuckende Hand seines Weibes. Drüben, im andern Haus, zimmerte der Ambros ein Särgchen für das kleine Wesen, das man noch auf den Namen Burgl getauft hatte, und dann ging er ins Tal, um das Begräbnis anzumelden. Während die Burgl kaum zum Bewußtsein kam, stand die kleine Truhe in der Stube nebenan für zwei Tage und zwei Nächte. Ein Kerzenlicht brannte dabei, und die Lina hatte auf das Holz ein weißes Tuch gelegt und einen Tannenzweig darauf. Sie kam in diesen Tagen kaum in ihre eigene Stube, wo der Ambros allein seinen kleinen Buben versorgen mußte. Am Abend hielten sie vor dem winzigen Sarg das Aufbleiben, wie es bei verstorbenen Erwachsenen der Brauch war, und beteten für die Mutter, denn was man am andern Tag zu Grabe tragen würde, brauchte keine Fürbitte.
Mit beiden Armen das Särgchen an die Brust gedrückt, trug der Kaspar am Morgen des dritten Tages sein totes Kind zum Begräbnis. Der Ambros ging hinter ihm her mit gefalteten Händen und den Hut zwischen die Finger geklemmt. Es war ein seltsamer Leichenzug, den die Sägmüllerleute, der alte Sterl und die hochbetagte Mutter des Ambros am Friedhofseingang erwarteten. Als der Totengräber dem Kaspar das kleine Trühlein abnehmen wollte, fuhr ihn dieser mit tropfenden Augen an:
»Laß es mir, ich leg mein Kind selbst ins Grab.«
Eine Goldammer saß auf der Friedhofsmauer, als der Pfarrer das Kind des Kaspar und der Walburga Thums von der Gschwend ins Grab segnete. Das geringe Totenglöckl winselte und bimmelte, und der Pfarrer wandte sich an die kleine Trauergemeinde.
»Der Herr hat ein reines, kleines Seelchen zu sich genommen. Vielleicht wollte er es vor einem unglückseligen Lebenslauf bewahren. Mögen sich Mutter und Vater trösten, denn ihnen ist ein Engel als Vorbote ins Jenseits vorangegangen.«
Nach einer stillen Messe ließen sich die zwei Holzhauer von der Gschwend nicht mehr halten. Die Sägmüllerleute gaben ihnen die Botschaft an die Burgl mit, daß sie, wenn man einmal hinaufgehen könne, nachsehen würden, wie es ihr ginge.
Der Holzzug ging zu Ende, die Arbeit im Walde wurde eingestellt, und wieder waren die Holzhauer, die unter dem Förster Greiner geschafft oder in anderen Forsten gearbeitet hatten, erwerbslos.
Der Wald war unruhig geworden. Er machte sich vom Winter frei. In schweren Tüchern sank der Schnee vom Geäst, die weißen Massen sackten zusammen. Was der Spätwinter über den Grenzbergen noch als feuchte Flocken trug, klatschte als Regen in das Tal von Stinglreut. Die grauen, verhangenen Tage wollten kein Ende nehmen.
Nur langsam erholte sich die Burgl. Sie konnte das Bett schon verlassen, saß schmächtig und leicht vornübergebeugt auf der Stubenbank und war still und in sich
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