Das glückliche Ende der Welt.
verraten hätte und daß auch die Finanzer nicht umsonst plötzlich so viel Interesse an Stinglreut fänden. Der Reibenwirt unterhielt sich gut mit den Vertretern des Staates, war um ihr leibliches Wohl sehr besorgt, und auch die Resl war freundlich und entgegenkommend, so daß sich die Beamten beim Reibenwirt von Stinglreut auch wohl fühlen konnten.
Der Förster Greiner hatte einen guten Einfall. Er brachte nach Weihnachten seiner Frau und dem kleinen Annerl aus der Stadt Schneebretter mit und lehrte sie das Skilaufen auf dem freien Platz der Guglwies. Frau und Tochter fanden daran viel Vergnügen, und besonders die Försterin vergaß darüber die einsamen Tage und die Weltferne. Bald benützte sie jede freie Stunde, um auf der Waldblöße und auf den in den Wald führenden Steigen zu fahren. Bald war es soweit, daß sie ihren Mann schon auf die Gschwend begleiten konnte, um dort einen Besuch zu machen.
Der kleine Ambrosi war schon wieder frisch und munter und lag sauber gebettet in seiner Wiege, die von der Försterin sehr bewundert wurde. Die Burgl wartete bleich und kränkelnd auf ihre schwere Stunde. Es war ein Sonntag, und die Männer waren damit beschäftigt, den Schnee, der nun feucht und lastig wurde, von den Dächern ihrer Häuser zu schaufeln.
Auf der Rückfahrt bemerkte die Försterin besorgt:
»Die Burgl gefällt mir nicht. So bleich und eingefallen sollte eine Frau, die ein Kind erwartet, nicht aussehen.«
Kurz vor der Guglwies kam die Försterin zu Fall und verrenkte sich den Fuß. Er brachte sie ins Haus, versorgte sie vorläufig und telefonierte in die Stadt nach dem Doktor. Es wurde schon dämmerig, als das Schlittengeklingel den Arzt ankündigte.
Die Verletzung, die sich die Försterin zugezogen hatte, wäre wohl schmerzlich, aber nicht schlimm und könnte durch Umschläge und Bettruhe wieder kuriert werden, meinte der Doktor, ließ einige Pillen gegen den Schmerz zurück, ließ sich den Wacholderschnaps munden, den ihm der Förster anbot, und wollte sich gerade wieder auf die Heimfahrt machen, als der Thums Kaspar ins Forsthaus stürmte und stotternd den Förster bat, er möchte doch die Wehmutter rufen, mit seiner Burgl sei es soweit, und sie habe viel zu leiden. Die Försterin, die auf dem Sofa im Wohnzimmer lag, sagte:
»Vielleicht — weil der Herr Doktor gerade da ist — ist es besser, wenn er gleich mitgeht. Wir waren heute droben, und die Burgl ist so eigenartig gewesen. Ich hab darüber auch gleich mit meinem Mann gesprochen.«
»Gut«, entschloß sich der Doktor, »aber lassen Sie die Hebamme ruhig kommen. Ich werde mir die Frau ansehen, schaden kann es nicht. Hinauffahren können wir wohl nicht?«
»Leider net, Herr Doktor, aber wenn Sie meinen, hol ich schnell den Schlitten und zieh Sie hinauf«, sagte der Kaspar und bat ängstlich: »Wenn Sie mitkommen täten, ja — es ist ein Glück, daß Sie da sind —«
Der Kaspar trug ihm die Tasche und schritt rasch aus. Der mürbe Schnee brachte den Arzt bald ins Schwitzen, und immer wieder fragte er, wie weit es denn noch sei.
Der Kaspar blieb stehen und vergönnte ihm eine Schnaufpause.
»Mensch, wie man so weit von der Welt weg leben kann, begreife ich nicht. Hier kommt wohl im Winter überhaupt niemand herauf, wie?«
»Auch im Sommer net, Herr Doktor, und das ist uns gerade recht.«
»Na ja, es muß dem Menschen gegeben sein, in so einer Einöde auszuhalten, das verstehe ich. Kann mir nur euren Alltag nicht vorstellen. Schließlich gehört ihr ja auch zu den andern da drunten in den Ortschaften und im ganzen Land, seid Staatsbürger und müßt euch doch auch für das interessieren, was im ganzen Land vorgeht. Die Politik interessiert euch wohl nicht?«
»Da verstehen wir nix davon, Herr Doktor«, meinte der Kaspar bescheiden.
Lächelnd antwortete ihm der Arzt: »Ist aber Staatsbürgerpflicht, sich um seine Rechte und Pflichten zu kümmern.«
Verständnislos sah ihn der Kaspar an: »Ich meine halt, Herr Doktor, daß man auch solche Leute braucht, wie wir sind, Leute, die auch mit der Einöde fertig werden, die das Holz machen und ihrer Arbeit nachgehen. Tät wohl bald anders ausschauen in den Städten, wenn die Bauern und Holzhauer in den Einschichten sich net um ihre Arbeit kümmern täten, ich meine, daß dann das Politikmachen in der Stadt auch nicht mehr viel Wert hätte. Gibt doch viele Menschen, die in der Einschicht leben müssen.«
»Bist ein kluger Kopf, Thums. Freilich gibt es solche Menschen, und man braucht
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