Das glückliche Ende der Welt.
Dann kam der Kaspar nach, langsam und seine Last bändigend. Er hatte den schmetternden Schlag gehört und totenbleich werdend lenkte er seinen Schlitten gegen die Schneewand und brachte ihn zum Stehen. Vom Gefährt des Ambros war nichts mehr zu sehen, ihn selber fand er bewegungslos unter der Fichte.
»Ambros!« Hastig befreite er ihn vom Schnee und kehrte ihn auf den Rücken. Das Gesicht des Holzhauers war blutüberströmt.
»Ambros!« Er schüttelte ihn und lachte grundlos und verwirrt, als dieser die Augen aufschlug, mit den Armen um sich tastete und sich aufsetzte.
»Da bin ich grad noch herausgekommen!« krächzte er und stand auf.
»Mensch, hast du ein Glück gehabt!« stöhnte der Kaspar, »fehlt dir was?« Verkratzt bin ich ein wenig, und der Schädel brummt.« Er tastete sich den Kopf ab und schnüffelte mit der blutenden Nase: »Loch hab ich keines, wird halt ein bisserl Haut weghängen.«
»Fehlt dir ganz gewiß nix? Ist ja net zu glauben!« jubelte der Kaspar und klopfte den Kameraden am Rücken, an Armen und Beinen.
»Der Schlitten ist hin«, tat der Ambros bekümmert, »fahr ab, ich hock auf. Muß mir von der Weberin den Schlitten ausborgen.«
»Dann sitz auf.«
»Bin ein bisserl schlafdamisch gewesen und hab es übersehen, bin gleich zu stark in Fahrt gekommen. Gib acht, ist ein hundsgemeines Grundeis auf der Bahn.« Mit dem Taschentuch wischte sich der Ambros das Blut vom Gesicht, und während der Kaspar zu Tal fuhr, dachte der Ambros hinter ihm auf dem Schlitten laut: »Muß einen Schutzengel haben, weil es so gut hinausgegangen ist. Freilich hab ich einen Schutzengel, einen kleinen — daheim in der Wiege.«
Als sie an die zweite große Kurve kamen, wo die Bahn in den Auslauf der Teufelsschlucht einbog und damit das Tal erreichte, kamen sie an einer alten Tanne vorbei. Am rissigen Stamm hing ein braunes Holztäfelchen mit verwitterter Schrift. Dem Ambros wurde der Schweiß auf dem Rücken kalt. An dieser Kurve hatte der Bruder des Kern vor zwanzig Jahren nicht so viel Glück wie er. Dem Kern gelang es nicht mehr, aus dem Schlitten zu springen, und die Buchenblöcher, die er geladen hatte, zermalmten ihn an dieser Tanne.
Drunten am Lagerplatz watete der Ambros Keppl durch den Schnee bis zum Bach und wusch sich das Gesicht, ging ins Dorf und lieh sich von der Weberin den Schlitten aus, und an diesem Tag fuhren die Gschwendner nur noch einmal ab.
»Unsere Weibsleut brauchen gar nix zu wissen«, verlangte der Ambros, »wenn sie es später einmal erfahren, ist es nimmer so schlimm. Hab mir halt den Kopf ein wenig verkratzt. Brennen tut es scheußlich. Da ist unser Arnika schon recht.«
»Dem Förster müssen wir es sagen, wissen es ja auch die andern.«
Ungeachtet seines verbeulten und zerkratzten Kopfes und der Prellungen, fuhr der Ambros Keppl an diesem Tag noch einmal ab, und die anderen Holzhauer nannten ihn einen »Wilden« und einen »Gußeisernen« und schüttelten die Köpfe über ihren Kameraden.
Wie alle Tage, kam auch der Förster diesmal drunten am Lagerplatz vorbei, und obwohl der Ambros den Vorfall bagatellisieren wollte, riet ihm der Förster, sich nicht auf seine Kraft zu verlassen, sondern es mehr mit der Vorsicht zu halten.
»Solch einen harten Schädel möchte ich ja auch haben«, meinte er, »aber Sie wissen schon, daß es nicht allemal gut ausgeht. Melden muß ich den Unfall, damit Sie auch Ihren Schlitten wieder ersetzt bekommen, und wenn Sie meinen — na ja, man kann das euren Frauen gegenüber schon für eine Zeit verschweigen. Erfahren werden sie es ja doch einmal.«
Im Februar wurde der Schnee schwer. Den eisigen Tagen waren naßkalte gefolgt. Der Holzzug vom Hochruck war beendet. Nun brachten die Holzhauer vom alten Hieb über der Teufelsschlucht Stämme und Scheite nieder, setzten sie an die Dorfstraße, wo Pferdefuhrwerke aus der Stadt die Blöcher auf schweren Schlitten wegfuhren. Das Klingeln des Schellengeläutes der Gespanne erfüllte das kleine Tal von Stinglreut und brachte wieder Leben in den Ort, Um die Mittagszeit standen die Pferde auf dem Dorfplatz vor dem Reibenwirt, und die Fuhrleute hielten in der Gaststube ihre Pause. Um diese Zeit kamen nun auch regelmäßig die Gendarmen und nicht selten die Grenzstreife und kehrten ebenfalls ein. Unter Tags gab es nun kaum mehr einen einheimischen Gast beim Reibenwirt, und an den Abenden waren sie spärlich. Man wußte nicht, von woher das heimliche Gerede gekommen war, daß jemand aus dem Dorf den Weber
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