Das Gluecksarmband
dabeihatte. Sein Anzug schien ihn plötzlich einzuengen, und die Aktentasche kam ihm bleischwer vor, obwohl seine Fotoausrüstung zehnmal mehr Gewicht hatte. In diesem Moment war es wie eine Offenbarung über ihn gekommen. Am liebsten wäre er wieder nach Hause gerannt, hätte Jeans angezogen, sich seine Kamera geschnappt und wäre dann ganz schnell wieder hergekommen, bevor die Szenen sich auflösten.
Klar, hier in New York gab es Fotografen wie Sand am Meer, aber er wusste, dass er Talent besaß und, was noch wichtiger war, Leidenschaft. Seine Leidenschaft hatte ihn heute zu dieser Entscheidung geführt. Und auch wenn sein neuer Beruf nicht annähernd so lukrativ war wie das Börsengeschäft, so würde er ihm doch zehnmal mehr Glück und Zufriedenheit verschaffen, da war Greg sich sicher.
Er wappnete sich für das bevorstehende Gespräch mit seinem Chef und fuhr sich mit den Fingern durch sein kurzes braunes Haar.
Montagmorgen. Die Börsen waren schon lange geöffnet, und der Handel lief auf Hochtouren. Greg warf einen Blick zu seinem Kollegen Mark hinüber, der in der Kabine ihm gegenüber saß. Marks Gesicht war gerötet, und die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf, während er auf drei Bildschirmen gleichzeitig Zahlen studierte und einen Auftrag ins Telefon brüllte.
Plötzlich spürte Mark, dass Greg ihn ansah. Panisch drehte er sich zu ihm um.
«Matthews, was machst du denn da? Siehst du denn nicht, was da mit dem Euro los ist? Und dass die Ölpreise verrückt spielen, weil sich im Mittleren Osten mal wieder was zusammenbraut? Ruf Carmichael an, aber dalli, sonst ist der stinksauer!» Mark griff zu einer Flasche Tums, öffnete mit einer Hand den Verschluss, setzte sie an den Mund und schüttete sich mehrere Tabletten in den Rachen.
Aha, Sodbrennen, dachte Greg. Aber er fühlte sich irgendwie unbeteiligt. Klar, er sollte wohl wirklich Leonard Carmichael anrufen, seinen größten Kunden, und ihm verklickern, was jetzt zu tun war, um seine Investments zu schützen. Aber er stellte fest, dass er das gar nicht wollte. Es war ihm einfach egal. Ständig gab es neue Krisen, Vermögen gingen den Bach runter oder fielen Leuten in den Schoß, die nichts anderes taten, als Knöpfe zu drücken und Befehle zu erteilen.
Greg schüttelte den Kopf. Das Leben hatte mehr zu bieten als diesen Stress.
Während er seine Kabine verließ, rief Mark hinter ihm her: «Carmichael verfrühstückt deinen Arsch, wenn du ihm nicht soo-fort diesen Scheiß hier meldest!»
Greg ignorierte diese eindringliche Warnung und marschierte geradewegs auf Dave Fosters Büro zu. Der Mann saß weiter ganz gelassen hinter seinem Schreibtisch und schien den Weltuntergang draußen vor seiner Glastür nicht zu bemerken.
Doch das war schon immer so gewesen. Fosters Mitarbeiter kriegten Herzinfarkte und litten unter Angststörungen und Sodbrennen, während der Chef an die nächste Yacht dachte, die er sich zulegen wollte.
Als er sich der Tür zum Büro seines Chefs näherte, sah Greg zu Fosters Assistentin Claudia hinüber. Sie bewachte das innere Heiligtum wie eine Bulldogge, und allein schon ihr Blick konnte einem die Gesichtshaut wegätzen. Normalerweise achtete Greg darauf, dass sie keine Witterung von ihm aufnahm, denn sie war wirklich ein Biest. Aber solange er ihr aus dem Weg ging, würde sie ihn auch in Ruhe lassen, glaubte er.
Doch heute war alles anders.
Er marschierte weiter, obwohl Claudia aufgestanden war und ihre übliche Haltung eines bösartigen Hundes eingenommen hatte.
«Ich muss Dave sprechen.» Gregs Tonfall stellte klar, dass er es ernst meinte.
Claudia hob die Hand. «Mr. Foster hat zu tun. Sie können jetzt nicht zu ihm.» Doch Greg ließ sich nicht aufhalten. «Stopp!», befahl sie.
Er drängte sich an ihr vorbei, griff nach dem Türknauf zum Chefbüro und drehte ihn. Die Tür öffnete sich.
«Sie haben keinen Termin. Sie dürfen ihn nicht stören!»
Greg überhörte Claudias Gezeter und betrat ungeladen Daves Büro. Na klar, jetzt sah er deutlich, was Dave da im Internet zu tun hatte. Okay, er guckte zwar nicht nach einer Yacht, dafür aber nach einer Villa in der Toskana. Kein großer Unterschied.
«Äh-hem.» Als Greg sich räusperte, schreckte sein Chef hoch und ihre Blicke trafen sich.
«Matthews. Was machen Sie denn hier? Ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit.» Rasch minimierte er das Bild auf dem Monitor.
«Mr. Foster.» Verärgert schob Claudia sich an Greg vorbei. «Tut mir leid, ich habe ihm
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