Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gluecksarmband

Das Gluecksarmband

Titel: Das Gluecksarmband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Greene
Vom Netzwerk:
sie die markanten Bauwerke wiedererkannte, die nicht mehr existierten.
    Cristina war in Alphabet City, einem Stadtteil im East Village, aufgewachsen. Dort hatten ihre Eltern, die aus Neapel eingewandert waren, ein italienisches Deli betrieben. Sie besaß nur zwei Fotos aus ihrer Kindheit. Eins war eine Schwarzweißaufnahme: ein kleines Kind in einem Körbchen oben auf einem Kühlschrank im Deli. Das Gesichtchen war kaum zu erkennen. Cristinas Mutter war auch auf dem Bild, ihr Arm ruhte auf der Wurstschneidemaschine. Das zweite Foto stammte aus der Highschoolzeit von Gregs Mutter. Ein Profifotograf hatte es gemacht. Cristina hatte eine Grace-Kelly-Pose eingenommen und schaute mit leicht zur Seite geneigtem Kopf sehnsüchtig an der Kamera vorbei.
    Das Deli seiner Großeltern war nach deren Tod durch viele Hände gegangen. 1990 war es schließlich geschlossen worden, weil die damaligen Besitzer es völlig heruntergewirtschaftet hatten. Das bescheidene dreistöckige Gebäude hatte man abgerissen und an der Stelle ein Hochhaus mit dreiundzwanzig Stockwerken errichtet.
    Die Fahrt durch Queens in der letzten Woche hatte Greg Energie gegeben und ihn in seiner Absicht bestärkt. Erst nach dem elften September war ihm richtig klargeworden, wie tiefgreifend und wie schnell die Stadt sich veränderte. Bisher hatte er vor allem denkmalgeschützte Gebäude fotografiert, die eine historische Bedeutung hatten und vermutlich niemals abgerissen werden würden. Aber wer sagte denn, dass das Deli seiner Großeltern, das von 1936 bis 1990 existiert hatte, nicht auch ein historisch bedeutsames Bauwerk gewesen war? Und da solche Häuser nicht unter Denkmalschutz gestellt wurden, waren das vielleicht die Gebäude, auf die er sich konzentrieren sollte.
    Ja, dachte Greg begeistert, das könnte sein nächstes Projekt sein, Fotos von architektonisch unscheinbaren Gebäuden, in denen sich das alltägliche Leben abspielte, die aber viel zu schnell aus dem Stadtbild verschwanden.
     
    Als Greg am frühen Nachmittag die Tür zu seinem Backsteinhaus auf der Upper East Side aufstieß, fühlte er sich wie ein ganz neuer Mensch. Nachdem er das Büro verlassen hatte, hatte er sich einen Kaffee besorgt und war dann fast den ganzen Weg vom Financial District bis nach Hause zu Fuß gegangen. Erst als Wind und Schnee ihm heftig ins Gesicht peitschten, hatte er schließlich ein Taxi genommen. Normalerweise hatte er nichts gegen Winterwetter, aber als New Yorker, der Taxifahren liebte, konnte er nur ein gewisses Maß davon ertragen.
    Zu Hause hatte er es eilig, aus seinem Anzug herauszukommen, die Uniform des Angestellten abzuwerfen und die nächste Phase seines Lebens zu beginnen. Als Erstes würde er seine Kameraausrüstung auf den neuesten Stand bringen und die bereits vorhandenen Fotos sortieren. Wenn er eine neue berufliche Laufbahn einschlagen wollte, musste er auch etwas dafür tun.
    Er lächelte. Vor Freude war ihm fast schwindlig, und ein bisschen nervös war er auch. Er hatte Karen nicht erzählt, dass er kündigen wollte, und nun meldete sich ganz leise sein Gewissen, weil er sie nicht an seiner Entscheidung beteiligt hatte. Aber anderseits hatte sie immer hinter ihm gestanden, und er konnte sich nicht vorstellen, dass das in diesem Fall anders war. Er liebte sie, und sie liebte ihn. Schließlich lebten sie seit fast drei Jahren in einer festen Beziehung, und es war Zeit, über die Zukunft nachzudenken.
    Außerdem hatte er noch den ganzen restlichen Tag Zeit, sich zu überlegen, wie er es ihr sagen würde. Die Mittagszeit war gerade erst vorbei, und bis Karen nach Hause kam, würden noch viele Stunden vergehen. Sie arbeitete bei Macy in der Marketingabteilung, und vor Weihnachten hatten sie dort immer alle Hände voll zu tun.
    Während Greg sich im Eingangsbereich die Schuhe auszog, achtete er peinlich genau darauf, keine Schneespuren auf dem blanken Eichenboden zu hinterlassen. Karen hasste es, wenn sich auf dem Holz kleine Pfützen sammelten. Sie war überzeugt, dass es sich verziehen würde und damit den Wiederverkaufswert des Hauses verringern könnte. Immerhin war es eine Top-Immobilie. Auf einmal hatte Greg ein flaues Gefühl im Magen.
    Schnell wurde ihm bewusst, woher seine plötzliche Sorge kam. Klar, das Haus war fast abbezahlt. Mit seiner letzten Prämie hatte er einen beträchtlichen Teil der Hypothek begleichen können. Aber es war sein Job gewesen, mit dem er dieses schöne Zuhause finanziert hatte, vom Kauf über die Renovierung, bei

Weitere Kostenlose Bücher