Das Gluecksarmband
sich bei der jungen Frau hinter der Theke, schüttelte dem Besitzer die Hand und nahm eine Tüte mit ganz frischen Doughnuts entgegen.
Bevor Greg die Tüte draußen auf seinem Gepäckträger befestigte, nahm er sich eine Kostprobe heraus. Der Geschmack führte ihn in die Vergangenheit zurück, und während er zum Central Park radelte, überkamen ihn nostalgische Gefühle.
Eben gerade hatte er Fotos von der Bäckerei geschossen, in der er als Kind mit seiner Mutter eingekauft hatte, und gleich würde er Aufnahmen von der Eisbahn machen, auf der er als Teenager Schlittschuh gelaufen war. Plötzlich hatte er einen Kloß im Hals.
Wollmann Rink war ein beliebter Treffpunkt. Damals hatten Greg und seine Freunde sich dort zu Hot Dogs und heißer Schokolade versammelt, und anschließend waren sie über das Eis geflitzt und dabei häufig und nicht ganz zufällig mit hübschen Mädchen zusammengestoßen.
Als er die Fifty-Ninth Street und damit den Rand des Parks erreichte, stieg er vom Rad, um den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen. Auf der Eisbahn zogen ein paar Schlittschuhläufer träge ihre Achten. Greg kettete sein Fahrrad an und begab sich zum Eingang.
Er sprach kurz mit der Frau am Kartenschalter und erklärte, was er vorhatte. Sie musste erst mit ihrem Chef sprechen, und Greg beschloss, sich die Wartezeit mit einer heißen Schokolade zu verkürzen. Er setzte sich auf eine Bank an der Eisbahn, schaute den Läufern zu und überlegte, womit sie wohl ihren Lebensunterhalt verdienten.
Ein paar Teenager mit ihren Freundinnen sausten vorbei – sie schwänzten offensichtlich die Schule. Immer wieder rempelten sie sich absichtlich an, um ihren Begleiterinnen zu imponieren. Nach ihnen kam ein älteres Paar – vielleicht nutzten die beiden einen arbeitsfreien Tag? Oder aber sie waren Touristen – die Frau sah aus, als könnte sie Europäerin sein. Dann glitt eine ältere Frau mit grauem Pferdeschwanz vorbei. Sie trug einen violetten Kaschmirpullover und einen schwarzen Eislaufrock über schwarzen Leggings. Greg hob die Augenbrauen. Zu dieser Frau gehörte eine Geschichte, da war er sich sicher.
Nach einer gefühlten halben Stunde erschien die Ticketverkäuferin schließlich wieder und reichte ihm die unterzeichneten Einverständniserklärungen.
Greg machte ein paar Aufnahmen auf dem Eis und dann weitere vom Rand aus. Die alte Dame im violetten Pullover stakste auf ihren Schlittschuhen zu ihm hinüber. «Sind Sie ein neuer Schüler?», fragte sie.
Er lachte. «Nein, ich arbeite für die
New York Times
.» Die Worte gingen ihm so leicht von der Zunge, als hätte er sie schon sein Leben lang gesagt.
Die Dame hob die Augenbrauen. «Wirklich?» Greg hörte einen russischen Akzent heraus. «Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Sie sind so groß und schlank, da dachte ich, Sie wollten vielleicht Unterricht nehmen.»
«Warum – sind Sie Eislauflehrerin?»
Sie lächelte. «Ja, das könnte man so sagen. Ich bin Madame Vera Treynovitch, Ex-Ballerina des Pariser Opernballetts, und jetzt arbeite ich als Eislauflehrerin. Meine Spezialität ist der
Pas de deux
.» Sie stemmte die Hände in die Hüften, und Greg musterte sie. Sie musste mindestens neunzig sein.
«Darf ich Sie fotografieren?», fragte er.
«Ja», sagte sie ganz nüchtern. Koketterie war ihr offenbar fremd. Sie nahm sofort eine Pose ein, kreuzte die Schlittschuhe und hob anmutig die Hand. Dabei neigte sie den Kopf zur Seite, so als würde sie hinter ihrer Schulter etwas sehen. Als Greg seine Kamera hob, war ihm, als habe Madame Vera die Zeit um einige Jahrzehnte zurückgedreht.
Nachdem er einige Bilder von ihr gemacht hatte, fragte er, ob sie auch Paare unterrichtete.
«Natürlich.» Ihre Augen funkelten.
Sie gab ihm eine Visitenkarte, auf der in violetten Buchstaben ihr voller Name stand, Madame Vera Treynovitch. Greg bedankte sich. War das vielleicht ein Weihnachtsgeschenk für Karen? Greg war so sehr mit den Vorbereitungen für den Heiratsantrag beschäftigt, dass er noch keine Geschenke besorgt hatte.
Seine Mutter war immer gern Schlittschuh gelaufen, und er erinnerte sich an zahllose Weihnachtsausflüge mit seinen Eltern, hierher, in den Bryant Park und zum Rockefeller Center. Aber diese Zeiten waren leider vorbei.
Greg bemerkte, dass die alte Dame ihn mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck anlächelte, fast als hätte sie seine Gedanken gelesen.
«Diese Frau, sie bedeutet Ihnen sehr viel, nicht wahr?», fragte Madame Vera, und Greg war
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