Das Glücksbüro
ins Ohr. Der nickte und sagte: »Wir sind wegen des Antrags hier.«
Wieder Schweigen.
Offenbar ging Herr Chicone davon aus, dass Albert seinen Antrag kennen musste, und tatsächlich kannte Albert seinen Antrag, denn er war der mit Abstand am häufigsten abgelehnte, den er je bearbeitet hatte. Herr Chicone, der ständig neue Formfehler konstruierte und zu Papier brachte, sodass Albert gar nichts anderes übrig blieb, als seinen Antrag immer wieder neu abzulehnen.
»Ich kenne Ihren Antrag, Herr Chicone, sehr gut sogar, nur muss ich Ihnen sagen …«
»Signora schicke!«, rief Herr Chicone schnell.
»Bitte?«
Albert war verwirrt, und Herr Chicone machte keine weiteren Angaben, statt dessen knuffte er seinen Sohn und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, das alles einmal zu erklären.
Marco lehnte sich ein wenig vor und sagte: »Anna hat uns geschickt. Sie hat gesagt, Sie könnten uns helfen.«
Der Kleine sprach akzentfrei und sah Albert mit großen braunen Augen an.
»Frau Sugus?«, fragte Albert vorsichtig.
»Ja.«
Albert konnte es nicht fassen: Von allen erdenklichen Antragstellern hatte Anna Sugus Herrn Chicone gefunden. Oder er sie. Oder der Antrag sie alle drei. War das nun Zufall? Fügung? Oder ohne jede Bedeutung, da ein Antrag so gut wie der andere war?
»Anna hat gesagt, bei Ihnen kann man Glück beantragen«, sagte Marco. Und er tat dies mit einer Selbstverständlichkeit, die seinen Vater heftig nicken ließ.
»Oh … das scheint ein Missverständnis zu sein«, antwortete Albert ruhig und deutete wieder mit der Hand auf sich, »ich heiße Glück.«
Marco ließ sich davon wenig beeindrucken und winkte souverän ab: »Anna sagt, dass das ein und dasselbe ist.«
»Was?«
Wieder nickte Herr Chicone so heftig, als wäre Marcos Argument etwas, was so unwiderlegbar war wie die Gravitation oder die Existenz der Sonne.
»Herr Chicone …«, begann Albert erneut, stockte aber, als er sah, dass Herr Chicone sich wieder zu seinem Sohn beugte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Der hörte aufmerksam zu, dann wandte er sich an Albert: »Mein Vater möchte Ihnen etwas zeigen.«
Herr Chicone nickte wild, wenn Albert auch sicher war, dass er keinen Schimmer davon hatte, was gerade besprochen worden war. Also versuchte er erneut, den Irrtum zu klären.
»Herr Chicone«, begann er langsam und legte zwischen jedem Wort eine Pause ein, »Sie haben da etwas falsch verstanden …«
Marco hob die Hand, und Albert hörte auf zu reden. Der Gesichtsausdruck des Jungen war offen und freundlich, als hätte er noch nie etwas Böses gesehen oder erlebt. Da war ein scheinbar unerschütterliches Vertrauen, das Albert geradezu rührte und für einen Moment sprachlos machte.
Er sagte: »Anna hat gesagt, Sie will Ihnen helfen!«
»Mir?«
»Ja.«
»Und wie will sie mir helfen?«
Marco hatte die Frage ganz offenbar erwartet, lehnte sich über den Schreibtisch und flüsterte: »Dann geht er wieder weg, verstehen Sie?«
Albert schüttelte den Kopf: »Nein.«
»Der Antrag. Ich soll Ihnen sagen: So geht der Antrag wieder weg.«
»Das hat sie gesagt?«
Wieder Nicken. Diesmal von beiden.
»Und was soll ich mir ansehen?«, fragte Albert neugierig.
Herr Chicone sprang von seinem Stuhl auf und klatschte erfreut in die Hände. Offenbar verstand er doch alles, oder es gab eine geheime Kommunikation zwischen Vater und Sohn, die Albert nicht mitbekam, denn auch Marco klatschte fröhlich in die Hände, und beide ließen es in einem unternehmungslustigen Reiben ausklingen.
»Kommen Sie!«, rief Marco und zog ihn bereits am Ärmel. »Wir bringen Sie hin.«
»Wohin?«
Mehr brachte Albert nicht raus. Völlig überrumpelt ließ er sich von Marco aus seinem Büro ziehen und folgte Federico Chicone, während er plötzlich Marcos kleine Hand in der seinen spürte, die sich ihm warm und weich anvertraute.
Sie verließen das Amt durch den Propeller und eilten zum Besucherparkplatz, ohne dass Albert Zeit gehabt hätte, sich für den Ausflug zu wappnen oder auch nur Angst davor zu haben. Das änderte sich jedoch, als er sah, welches Auto Herr Chicone aufschloss: einen flammroten Fiat 500. Möglicherweise das kleinste Auto, das je gebaut worden war und das für Albert aussah wie ein Sarg ohne Ecken.
Herr Chicone klappte den Fahrersitz zurück und machte eine Handbewegung, angesichts deren Eleganz man hätte meinen können, er hätte Albert in den Fond eines Rolls-Royce eingeladen. Albert hingegen spürte nur, wie sich ein eiserner
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