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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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Jetzt hingegen war es kalt, das Wasser lief ihm den Nacken hinab, aber alles war so neu, dass er das Gesicht sogar dann und wann in den Himmel hielt, damit die Tropfen ordentlich auf seine Haut trommeln konnten. War er nicht gestern erst der Meinung gewesen, dass er nicht der Typ war, der den Kopf in die Wolken steckte? War das wirklich erst gestern gewesen? Denn es war herrlich, nicht zu sehen, wohin man ging. So befreiend.
    Er landete im Straßengraben.
    Fluchend rappelte er sich auf und beschloss, es mit der Freiheit nicht zu übertreiben. Übermut führte allenfalls zu einem ruinierten Anzug. Als Erstes musste er wieder in seinen alten Rhythmus finden, und er wusste auch schon, womit er anfangen würde.
    Er kaufte sich einen neuen Wecker.

28.
    Punkt 5.00   Uhr morgens schoss Albert kerzengrade in die Höhe, als sein neuer Wecker Alarm schlug. Für einen Moment hatte er das Gefühl, an Herzrhythmusstörungen zu sterben, dann aber wurde ihm klar, dass sein neuer Wecker gerade das Amt in seinen Grundfesten erzittern ließ. Offenbar war das Gerät ein Scherzartikel – er hatte es nicht bemerkt –, aber selten war er so wach gewesen wie an diesem Tag. Das Ding imitierte das Signal eines Hochseedampfers, von Gewalt und Lautstärkepegel her das der Titanic, was wohl auch den Namen erklärte.
    Selbst als er es hektisch abstellte, hörte er das mächtige WOOOOOMMM ! noch eine Weile in seinem Kopf hallen. Sonst aber schien das Durcheinander der letzten Tage vergessen zu sein, denn er kam spielend in seine Morgenroutine und begann den Tag wie alle anderen der letzten knapp fünfunddreißig Jahre auch: in Ruhe.
    Zum Schluss, noch bevor er seinen Geburtstagsplan studierte, stand er vor dem kleinen Spiegel über dem Waschbecken und kämmte sich wie immer einen akkuraten Scheitel. Doch diesmal verharrte er und betrachtete sich: Der Scheitel saß da, wo er immer saß, nämlich rechts, aber zufrieden war er damit nicht. Er zog einen neuen akkuraten Scheitel und war wieder nicht zufrieden. Was war denn heute mit seinem Haar los?
    Er kämmte sein Haar nach vorne und setzte – zu seiner eigenen Überraschung – links an. Er sah in den Spiegel und fand, dass es gut aussah.
    Punkt 7.30   Uhr betrat er das Büro Elisabeth Seel   /   Mike Schulze , zu seiner Überraschung ohne einen blöden Kommentar Schulzes, der offensichtlich übellaunig an seinem Platz saß und ihn kaum eines Blickes würdigte.
    »Guten Morgen, Elisabeth«, grüßte Albert.
    »Guten Morgen, Albert.«
    Er legte die Papiere wie immer auf Elisabeths Schreibtisch und bemerkte gar nicht, dass sie ihn aufmerksam ansah. Erst als er sich aufrichtete, spürte er ihren durchdringenden Blick und reagierte irritiert: »Was?!«
    Elisabeth zog ein wenig die Nase kraus: »Sie sehen irgendwie … anders aus.«
    »Ich?«
    Elisabeth nickte: »Ja, finde ich schon. Irgendwie jünger. Was meinst du, Mike?«
    Mike stierte aus dem Fenster und antwortete: »Ist mir scheißegal.«
    Elisabeth war die unfreundliche Antwort offenbar unangenehm, und sie quittierte sie mit einer Grimasse, die wohl so viel heißen sollte, dass man Mike heute besser in Ruhe ließ. Albert hingegen zuckte ungerührt mit den Schultern: Was immer Mike umtrieb, es war ihm völlig gleichgültig.
    Er verließ das Büro mit einem stillen Lächeln, doch diesmal nicht, weil er Mike einen Streich gespielt hatte, sondern weil ihm das kleine Kompliment Elisabeths gefallen hatte: Wer hätte gedacht, was ein veränderter Scheitel doch so alles bewirkte?
    Er schloss sein Büro auf und lugte misstrauisch hinein: kein Antrag. Jedenfalls nicht auf seinem Schreibtisch. Zur Sicherheit durchsuchte er den ganzen Raum, aber E 45 hatte sich auch nirgendwo versteckt, sodass er zufrieden auf seinen Schreibtischstuhl sank und gut gelaunt auf die Schreibtischunterlage trommelte. War es wirklich wahr geworden? Hatte er E 45 besiegt? Oder ihm vielmehr ewigen Frieden geschenkt?
    Ein tolles Gefühl. Er war Stempel-Man . Ein Superheld. Ein Akten-Ninja. Ein Formationstänzer und Geheimagent. Er war alles, was Mike, dieser Idiot, ihm schon unterstellt hatte. Aber vor allem war er eines: der Herr der Anträge.
    Es klopfte leise an seiner Tür, Susanne trat ein und legte ihm eine gut gefüllte Kladde frischer Anträge auf den Schreibtisch.
    »Morgen, Herr Glück.«
    »Guten Morgen, Susanne.«
    Albert schlug rasch die erste Seite auf, aber auch hier: kein E 45. Er hatte es tatsächlich geschafft! Susanne stand immer noch vor seinem

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