Das Glücksbüro
kleine Schreibtischlampe aus, damit das Kaminfeuer seine ganze Romantik entfalten konnte. Was es auch tat. Anna kicherte leise: Albert war irgendwie verrückt, aber ihr gefiel das.
Sogar sehr.
»Woher …?«, fragte sie Albert.
»Die DVD kann man im Internet kaufen«, antwortete Albert schnell.
»Nein, nicht das. Wie kommen Sie bloß auf solche Ideen?«
Albert zuckte mit den Schultern und antwortete unbedacht: »Ich sitze hier manchmal abends und schau dem Feuer zu.«
»Abends?«, fragte Anna.
Albert schluckte.
Er fühlte sich wohl, so wohl, dass er sich verplappert hatte. Seine Unvorsichtigkeiten hatten in letzter Zeit zugenommen, aber so unvorsichtig wie jetzt war er noch nie gewesen.
»Ach, nicht so wichtig!«, wehrte er ab und fragte schnell, um das Thema zu wechseln: »Finden Sie es nicht schön?«
Sie blickte auf das Kaminfeuer und antwortete: »Doch.«
31.
Fast hätte er ihr hinterhergerufen, als sie wieder ging. Fast. Vielleicht gut, dass er das nicht getan hatte, denn er hätte nicht gewusst, was er ihr eigentlich hätte sagen wollen. Oder hätte sie ihn verstanden? Immerhin war sie eine Künstlerin und Künstler verstanden viel von der Welt – glaubte er zumindest.
Aber er hatte nicht gerufen, sondern ihr nur nachgesehen. Anschließend seine Arbeit gemacht und ihr Bild angestarrt, das so gar keinen Sinn ergab. Schließlich war er aufgesprungen, in den Keller geeilt, mit Hammer und Nagel zurückgekehrt und hatte Annas Bild an die freie Wand gehängt.
Selten hatte etwas so deplatziert gewirkt wie dieses Bild. In Alberts 60er-Jahre-Büro, dessen Hauptfarben alle Schattierungen von Grau beschrieben, wirkte es wie die Tür in eine bunte Farbenwelt, durch die man gehen und für immer dahinter verschwinden konnte. Und je länger er es betrachtete, je mehr Wirbel und Facetten er fand, desto stärker hatte er das Gefühl, dass es lebte. Dass seine Farben an Leuchtkraft gewannen und aus dem Bild heraustraten. Dass sie wie bunte Finger nach dem Büro griffen, die Wände streichelten und den Registerschrank hätschelten.
Albert stand ganz still und staunte.
Alles war erleuchtet!
Das Licht war jetzt überall, ein Spektakel, das sich laut, überbordend und verschwenderisch wie ein Pfauenrad auffächerte. Es zog Schweife hinter sich her und erfüllte die Kammer mit Atem.
Nur ihn erreichte es nicht.
Er war der graue Mann im Zentrum einer Supernova. Und wenn er sich bewegte, wenn er die Hand hob und in das Licht stach, so konnte er ein paar Schlieren ziehen, aber nichts blieb an seinem Finger zurück. Was, wenn er jetzt loslief und sprang? Dorthin, wo das Licht am stärksten war? Es reizte Albert loszulassen, etwas zu riskieren, seiner Neugier nachzugeben, aber wie aus einer fernen Welt hörte er plötzlich Schritte auf dem Flur.
Die Farben zogen sich wieder zurück. Alles Glühen wurde schwächer, die Leuchtfinger gaben das Büro wieder frei. Alles implodierte, stürzte in sich zusammen und versank in einem gewaltigen Wirbel. Zurück blieb nur das Bild.
Und der Rahmen.
Draußen waren die Schritte an seinem Büro vorbeigegangen.
Der Rausch war verklungen, aber die Tagesroutine wollte sich nicht so recht einstellen. Und zum ersten Mal störte ihn auch Legenden der Leidenschaften , und zwar so sehr, dass er zehn Minuten vor Ende abschaltete. Die Abenteuer der jungen Flora wirkten irgendwie langweilig, weil er das Gefühl hatte, dass sie nicht genügend mitmischte. So plätscherte das Ganze vor sich hin, selbst der feurige Franco machte keinen weiteren Annäherungsversuch. Ohne Konflikte fehlte schlicht der Pep.
Kurz vor Schlafenszeit las er in den Apostillen, als sein Blick auf ein paar bunte Marker fiel, die in einem Regal ganz aufgeräumt in einer Schachtel lagen. Ob er auch mal versuchen sollte, ein Bild zu malen? Er sah sich verschämt um, als ob er fürchtete, jemand könnte ihn gerade beobachten, dann nahm er sich einen Bogen weißes Papier und die Textmarker.
Wie fing man an? Womit fing man an? Gab es einen richtigen Anfang und einen falschen? Albert war jetzt noch verunsicherter: keinen Strich gemacht und schon am Ende. Da beschloss er, einfach mal zu beginnen. Ein gerader Strich. In Rosa. Und noch einen in Grün. Einen in Gelb. Und einen in hellblau. Und orange hatte er auch noch.
Er malte.
Sehr gerade. Sehr regelmäßig. Fast schon geometrisch.
Und hatte keine Ahnung, was er da tat. Irgendwann befand er, dass sein Werk jetzt fertig war. Kritisch musterte er die Striche und Farben und
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