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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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hatte keine Ahnung, was sie darstellen sollten. Auf der anderen Seite: Welcher Künstler wusste das schon? Je weniger man erkannte, desto mehr Spielraum blieb für Interpretationen. Je mehr Interpretationen, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, als Stümper abgestempelt zu werden. So gesehen hatte er gerade Kunst geschaffen.
    Amüsiert hängte er das Bild an seine Zimmertür, löschte das Licht und fragte sich noch, wieso Stempeln eigentlich mit etwas Schlechtem assoziiert wurde.
    Dann schlief er ein.

32.
    Er erwachte tatendurstig.
    Und ohne das Nebelhorn der Titanic, das er wieder gegen seinen alten Wecker ausgetauscht hatte. Er beeilte sich bei der Morgenroutine, denn vor dem obligatorischen Geburtstag in II.096, Franz Bachmann   /   Udo Kindler , hatte er noch etwas zu erledigen.
    Also huschte er aus dem Keller, nahm zuvor jedoch noch eine Margerite aus der Vase und schlich sich in die Damenumkleide des Küchenbereichs. So früh am Morgen war noch niemand da, dennoch musste er sich beeilen, denn bald schon würden die Küchenhilfen und Köchinnen mit den Vorbereitungen für den Tag beginnen. Die Damen hatten genau die gleichen Spinde wie die Herren, und Albert verbrachte eine Weile damit, herauszufinden, welcher Spind der richtige war. Glücklicherweise waren die meisten offen, es gab dort nichts zu stehlen außer Dienstkleidung, und davon hatte jeder genug. Erst wenn sich die Küchenbesatzung umgezogen hatte, wurde abgeschlossen.
    Albert fand, was er suchte: Sicherheitsschuhe. Dieselben, die alle trugen, doch der linke Schuh dieses Paares hatte einen abgerissenen Schnürsenkel. Den Namen der Küchenhilfe kannte er nicht, aber er wusste, dass es an ihrem Outfit immer etwas gab, was nicht ganz den Vorschriften entsprach. Ein Knopf, der abgerissen war, ein Häubchen, das schief saß, ein Schnürsenkel, der offenstand. So etwas in der Art. Sie wirkte immer ein wenig abwesend, manchmal auch nur überfordert, gab ihr Bestes, aber es war offensichtlich, dass es eigentlich niemals genug war. Man hatte das Gefühl, einer Pechmarie gegenüberzustehen, und in Gedanken nannte Albert sie Fräulein Traurig, wenn er sie zufällig an der Theke sah.
    Dabei war sie eigentlich ganz hübsch, wirkte aber mutlos. Und wenn im Hintergrund eine Schüssel zu Boden ging oder ein Glas klirrte, war Fräulein Traurig niemals weit weg. Albert war sich sicher, dass sie schon lange alleine war, es nicht wollte, aber auch nicht wusste, wie sie das ändern konnte. Also steckte er die Margerite an ihren Spind, so wie er es auch schon beim Chefkoch getan hatte, und verließ leise die Umkleide.
    Das Geburtstagsfrühstück war ausgesprochen gut, statt Mayonnaise gab es Remouladensoße, was Albert fast noch besser fand als seine geliebte Mayonnaise. Abwechslung war zuweilen gar nicht schlecht. Er gab wie immer seine Sachen bei Elisabeth ab, ignorierte den schlecht gelaunten Mike und machte sich auf den Weg zu seinem Büro.
    Die Schlange auf dem Flur hatte er gesehen.
    Mit jedem Schritt an ihr vorbei jedoch dämmerte ihm, dass die Menschen dort nicht zufällig standen – schließlich standen in seinem Amt Leute nicht einfach so herum. Und wenn, dann immer mit einem verzweifelten Ausdruck im Gesicht, weil sie sich verlaufen hatten oder seit Stunden von Pontius zu Pilatus geschickt worden waren, ohne die geringste Aussicht auf Erfolg.
    Seine gute Laune wurde getrübt. Da stand wenigstens ein Dutzend Menschen. Bei genauerem Zählen waren es sogar 14. So vielen begegnete er sonst in zwei Jahren. Wenn überhaupt. Und was noch schlimmer war: Der Erste stand exakt vor seiner Tür.
    Vorsichtig ging er an den ersten Wartenden vorbei, die weder verwirrt noch verzweifelt aussahen. Er räusperte sich und fragte: »Wollen Sie zu mir?«
    Die Dame ganz vorne an der Tür drehte sich zu ihm um: »Frau Sugus schickt uns.«
    Albert nickte, kramte nach seinem Büroschlüssel und versuchte, seine Gedanken zu ordnen: Wo sollte denn das enden? Das konnte sie doch nicht machen! Ständig Leute schicken!
    Plötzlich hatte er das Gefühl, als ob eine kalte Hand seinen Nacken kratzte, Panik durch seinen Bauch trampelte wie ein Kind durch eine frische Pfütze. Das waren ja so viele! Und ein paar von denen sahen irgendwie gefährlich aus. Ihm wurde schlecht, aber es gab auch keine Möglichkeit, die Menschen wegzuschicken. Oder doch? Aber wenn sie gefährlich waren? Wie würden sie dann reagieren, wenn er sagte, dass er heute nicht zur Verfügung stand. Die waren in der

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