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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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denn es war noch nicht perfekt.
    Er zog Anzug und Hemd aus, ging zu seinem Schrank, holte einen dritten grauen Anzug und ein drittes weißes Hemd heraus, band die Krawatte, stellte sich vor den Spiegel und prüfte sich wieder. Und lächelte: Perfekt!
    Ein Außenstehender hätte dreimal den gleichen Anzug gesehen und dreimal das gleiche Hemd, aber es waren die Details, die zählten. Die Nuancen. Und wie er so vor dem Spiegel stand und sich betrachtete, da überkam ihn plötzlich großer Übermut. Da fand er das Bild von sich äußerlich so perfekt, dass er ebenso Teil einer Serie hätte sein können: Legenden der Leidenschaften .
    Er wäre der feurige Franco und Anna die scheue Flora. Ein unerschrockener Draufgänger, der sich über alle Konventionen hinwegsetzte. Er probierte einen dieser Franco-Blicke im Spiegel und raunte: »Sag, dass du mich nicht liebst!«
    Und in Ermangelung einer Flora, übernahm er ihre Rolle gleich mit und antwortete mit verstellter Stimme: »Ich liebe dich nicht, du Schurke!«
    Darauf konnte Albert natürlich keine Rücksicht nehmen, denn Franco nahm niemals Rücksicht. Er näherte sich seinem Spiegelbild zum Kuss.
    »Dann sag: Nein! Wenn du kannst.«
    »Nein, nein …«
    Albert spürte seine ungeheure Selbstsicherheit, den schwächer werdenden Willen Annas, die pure Männlichkeit und schließlich ihre Kapitulation davor. Schmatzend setzten seine Lippen auf dem Spiegel auf.
    Als er endlich von sich abließ, starrte er auf den Fettfleck auf dem Spiegel, und ehe er sich versah, hatte er einen Glasreiniger in der Hand und Pffft! Pffft! war der Knutscher wieder verschwunden.
    Gott, sah das eklig aus!

40.
    Albert war pünktlich.
    Die Galerie sah von außen nicht gerade spektakulär aus, ein einfacher Laden in einer Seitenstraße mit einem großen Schaufenster und einem dezenten Schild am Eingang. Draußen war niemand mehr, die Temperaturen waren bereits unter null gesunken, drinnen jedoch, und das war durch das Schaufenster nur zu gut zu sehen, drängten sich die Menschen. So dicht aneinander, dass die Gläser und Zigaretten über ihren Köpfen tanzten, sobald sie sich durch die Menge bewegten.
    Albert fuhr sich mit der flachen Hand nervös über das Gesicht, spürte, wie sein Atem schwer wurde und sich das Summen der Stimmen wie eine Wand vor ihm auftürmte. Da waren so viele! Alle in einem Raum wie Krebse in einem Eimer. Und so sehr er sich auch mühte, konnte er Anna von hier draußen nicht entdecken.
    All die Gedanken, Diagramme und Szenarien drohten sich bereits vor dem Eingang zu erübrigen, weil er gar nicht in Betracht gezogen hatte, dass zu einer Vernissage auch andere kommen könnten. Ein paar Sekunden verharrte er unschlüssig, dann atmete er tief durch: Er wollte es wenigstens versuchen!
    Er öffnete die Tür und der Lärm raste wie ein Zug durch ihn hindurch.
    Sie standen im Eingang, kehrten ihm den Rücken zu, andere beschwerten sich über die kühle Luft, die Albert hereinließ, dabei war es genau das, was dieser Raum am meisten brauchte. Er versuchte einzutreten, ohne jemanden zu berühren, wurde aber schnell von den Körpern gepackt und hineingezogen.
    Albert spürte Panik, die nackte Angst, die wie ein wilder Affe auf seinem Kopf saß und kreischend auf ihn einschlug. Stimmen erschienen unnatürlich laut, Gesichter wirkten im Gelächter verzerrt, Gläser klirrten, Zigarrenrauch nahm ihm den Atem.
    Albert versuchte sich zu befreien, zurück zum Eingang zu kommen, aber es war, als käme er gegen die Strömung nicht an: Ganz gleich, wie verzweifelt er dagegen anruderte, er wurde nur noch tiefer in den Raum gesogen, weg vom rettenden Ufer.
    Er hörte sich hecheln, fühlte, wie ihm schwindelig wurde, weil er hyperventilierte. Da drückte plötzlich so viel Gewicht auf seine Brust, sein Gesicht wurde ganz kalt, die Geräusche dröhnten und überschlugen sich schmerzhaft, sodass er beide Hände auf die Ohren presste und spürte, wie ihm die Knie weich wurden.
    Er sank langsam zu Boden. Sackte zwischen den dunklen Wintermänteln in sich zusammen und blieb zwischen Füßen und Rockzipfeln liegen. Kaum jemand nahm ihn wahr, und die, die es taten, hielten es für eine Performance.
    Plötzlich spürte Albert, wie ihn zwei Arme packten und an die Oberfläche zerrten. Dem Lärm entgegen, dem Licht und dem Rauch. Albert wollte nicht, machte sich schwer, wollte zurück auf den Grund, aber die Arme zogen ihn unerbittlich hinauf: Anna.
    »Albert! Was ist mit Ihnen?«
    Sie war bleich vor

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