Das Glücksprojekt
Abschied und gesunde!
Träge sind aber auch diejenigen, die ab einem bestimmten Punkt ihres Lebens meinen, sie hätten die Welt durchschaut. Die sagen dann Dinge wie: »Ich weiß, wie der Hase läuft, mir macht keiner was vor.« Sie sind in der Regel immer unsympathisch und haben keinen Funken Begeisterung oder Neugier mehr im Leib.
Ich bin äußerst träge, wenn es darum geht, etwas, das ich mir vorgenommen habe, auch zu tun. Zum Beispiel Oma besuchen. Oder einen circa einen Meter hohen Stapel an Unterlagen in die verschiedenen Ordner sortieren. Oder in den zuständigen Firmen und Ämtern die Infos für eine Solaranlage zusammensammeln. Wenn ich daran denke, fühle ich mich, als bewegte ich mich in einem Bad aus Teer. Ich kann mich nicht aufraffen und surfe blöd im Internet herum oder lege mich aufs Sofa vor den Fernseher. Das passiert sogar manchmal, wenn ich nur einen Anruf zu machen habe. Wenn die pure Ablenkung nicht ausreicht, habe ich sogar eine Reihe von Tätigkeiten, die ich dann stattdessen erledige, um ganz offensichtlich keine Zeit zu haben:
Fenster putzen
E-Mails checken
Pflanzen umtopfen
Schreibtisch aufräumen
Klamotten aussortieren und dabei alle anprobieren, um dann doch nichts wegzuschmeißen.
Saisonal bedingt kann noch Schnee schippen oder Rasen gießen dazukommen. Für den Haushalt ist es ein großes Glück, wenn Sachen anstehen, die ich vor mir herschiebe. L. hat eine ähnliche Methode, er fängt immer an, Obstbäume zu schneiden, wenn er irgendetwas erledigen soll, das ihm gegen den Strich geht. Ich dachte, die Bäume würden es nicht überleben, als er letztes Jahr die Garage entrümpeln sollte. Ich weiß, dass es sich nicht gut anfühlt, wenn ich Dinge vor mir herschiebe. Ich habe ein schlechtes Gewissen, ich fühle mich bräsig und unfähig. Und trotzdem schiebe ich.
Angeblich flutscht es fast von alleine, wenn ich nur den Anfang mache. Um die Energie für den Anfang aufzubringen, muss ich mir etwas einfallen lassen, das mich ausreichend motiviert. Das ist so wie beim Wohnungstreichen. Es ist eine Scheißarbeit, wenn man die Wohnung streicht, aus der man auszieht – aber man macht sie mit Freude, wenn man die Wohnung streicht, in die man einzieht. Ich will jetzt nicht unbedingt in unsere Garage ziehen, aber welche Idee könnte mich dazu motivieren, das Gerümpel zu sortieren, auszumisten und Fuhre für Fuhre zum Recyclinghof zu fahren? Ich stelle mich vor die geöffnete Garage und sehe mir das Desaster an. Ich probiere in meinem Kopf verschiedene Gedanken aus.
Wenn ich die Garage entrümpelt habe …
… dann habe ich endlich Platz für das Gerümpel, das sich jetzt im Schlafzimmerschrank stapelt – und wieder Platz im Schlafzimmerschrank.
… dann gönne ich mir zur Belohnung ein Essen mit L. in meinem Lieblingsrestaurant.
… dann sieht es viel ordentlicher aus.
… dann könnte ich mir eine kleine Ecke zum Umtopfen herrichten – ein Tischchen, die Töpfe, Gartenwerkzeug und die Erde, alles zusammen.
Tschakka! Du schaffst das!
Ich stehe immer noch mit hängenden Armen vor dem Garagen-Desaster. Nichts löst auch nur den geringsten Motivationshupfer bei mir aus. Im Gegenteil, ich überlege schon wieder, ob ich nicht dringend meinen Schreibtisch aufräumen sollte. Und die Fenster haben es eigentlich auch schon wieder nötig.
Und während ich so in die Garage starre, erinnert mich die Situation plötzlich an einen Spielfilm, den ich gesehen habe. In einer Szene steht die ebenso hinreißende wie gut aussehende Protagonistin in Jeans-Latzhosen und Baseballkäppi in ihrer zugemüllten Garage und räumt herum. Ihre Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, aus dem neckisch ein paar Strähnen fallen, und unter der Latzhose trägt sie nur ein Tanktop. Eine Jeans-Latzhose habe ich doch auch noch irgendwo …
Kurz darauf stehe ich wieder vor der Garage. In Latzhose, Tanktop, geschminkt und mit Pferdeschwanz, aus dem neckisch ein paar Strähnen fallen. Das klingt total dämlich, aber ich spiele eine Schauspielerin, die Garageausräumen spielt. Während ich Kisten und Kartons in die Auffahrt staple, sehe ich mir wie in dem Film selbst dabei zu und es macht mir richtig Spaß. Ich hole noch das Radio aus der Küche und habe somit ein bisschen Filmmusik. Ich merke, wie sich eine mächtig gute Laune ausbreitet. So lange schmorte die blöde Garage in meinem Hinterkopf und jetzt rücke ich ihr tatsächlich zu Leibe. Fast beschwingt trete ich ein paar Obstkisten klein. Am Nachmittag ist
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