Das Glücksprojekt
Gymnastikklamotten. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren, sondern schielte die ganze Zeit aus dem Augenwinkel auf seine Oberschenkel. Ich habe aber was anderes Tolles gefunden:
Ich gehe jetzt, wenn ich aus der Arbeit komme, nicht direkt nach Hause. Auf meinem Nachhauseweg liegt ein Café im Stil der alten Wiener Kaffeehäuser. Die Wände sind hüfthoch mit dunklem Holz verkleidet, die Sessel sind schwer und aus Leder und stehen an runden, kleinen Bistrotischen aus Marmor. Die Geräusche sind gedämpft, ein älterer Herr raschelt mit der Zeitung, die Düse der Kaffeemaschine schäumt Milch auf, Kleingeld klimpert auf eine Tischplatte. Die Stimmung in diesem Café bringt mich runter, sobald mein Hintern das Leder des Sessels berührt. Mein Blutdruck senkt sich, meine Atmung wird ruhiger, es ist, als beträte ich eine Zeitblase in einem Paralleluniversum. Ich trinke einen Martini und lasse mir den Tag durch den Kopf gehen, überlege, was ich geschafft habe, was ich auf morgen verschiebe, und schließe den Arbeitstag damit ab. Fertig. Wenn ich aus dem Café komme, sind meine Schritte entschleunigt und mir fällt auf dem Weg nach Hause auf, dass sie im Blumengeschäft frische Orchideen haben, dass der Typ, der mir entgegenkommt, mir zuzwinkert und dass der Nachbarshund schon wieder auf einem Schuh seines Herrchens rumkaut.
Dieses kleine Ritual hilft mir inzwischen auch tagsüber: Wenn ich mich rastlos fühle, lehne ich mich zurück, atme tief ein und aus und stelle mir mein Café vor. Der dunkle, große Raum mit dem Holzboden, die Kellner in den weißen, gestärkten Schürzen, die sich fast lautlos bewegen, der Geruch von Kaffee und Leder und wie sich die Eiswürfel in meinem Martini anhören, wenn sie gegen das Glas schlagen. Das beruhigt mich sofort. Danach kann ich ohne Hast überlegen, was zu tun ist, und plane ohne innere Not. Ich weiß, das ist bestimmt auch nicht buddhistisch – aber vielleicht, wenn man sich einen Yogi-Tee statt des Martinis vorstellt?
Hindernis 5: Misstrauen/Zweifel
Ich bin die Skepsis in Person. Ich habe den Zweifel sozusagen erfunden. Wäre ich damals dabei gewesen, als so ein Schlaumeier das Rad erfand, ich hätte so etwas gesagt wie:
Meinst du nicht, dass man da zu schnell wird?
So ein Quatsch, rollen! Als wenn Tragen so schlecht wäre.
Die Leute werden das nicht wollen, das sieht zu komisch aus.
Und wie fühlen sich jetzt die ganzen Vierecke?
Sie verstehen, was ich meine? L. leidet unter meinen Zweifeln, ich zweifle ja schließlich nicht leise, das macht ja nur halb so viel Spaß. Mit der Planung meines Geburtstags hätte ich ihn zum Beispiel fast in den Wahnsinn getrieben:
L: »Wie möchtest du eigentlich deinen Geburtstag feiern?«
Ich: »Ich will ein Riesenfest machen!«
L: »Okay.«
Ich: »Oder lieber doch eine kleine Runde? Dann gibt es auch nicht so viel vorzubereiten …«
L: »Okay.«
Ich: »Obwohl, wenn jeder was mitbringt, könnte es gehen. Aber dann muss es ein Wochenende sein und nachfeiern finde ich blöd.«
L: »Okay.«
Ich: »Allerdings kann Jana an meinem Geburtstag eh nicht, dann vielleicht doch Wochenende? Oder Wochenende und kleine Runde? Aber dann ist bestimmt der Rest beleidigt. Oder wir feiern gleich woanders, nicht zu Hause.«
L: »Okay.«
Ich: »Aber das wird ziemlich teuer … und außerdem: wo? Das Einstein kommt nicht infrage, das Margaritas hingegen, das ginge, aber da ist das Essen nicht so toll. Vielleicht doch besser zu Hause?«
…
Ich kann so was stundenlang. Fragen Sie L. Und je mehr ich über eine Situation nachdenke, desto schwieriger wird die Entscheidung. Von größeren Entscheidungen wie »Wollen wir aus der Stadt aufs Land ziehen?« oder »Mache ich mich selbstständig?« will ich gar nicht erst anfangen. Ich stelle zudem nicht nur mein Tun, sondern auch das von L. infrage, anscheinend typisch für misstrauische Leute wie mich. Angeblich sind wir sehr geschickt darin, die Fehler anderer anzuprangern. Das stimmt, in meinem Fall. Ich bin eine Top-Anprangererin.
Was ich dagegen tun kann? Ich soll in mich hineinhören und meine Intuition besser erspüren. Und ihr vertrauen. Das letzte Mal, als ich meiner Intuition vertraut habe, wurden wir allerdings von unserem Vermieter spektakulär über den Tisch gezogen. Gibt es eigentlich ein Wort für Intuition, die nicht stimmt? Destuition?
Ich entdecke aber letztendlich einen Trick, mit dem man das Bauchgefühl ziemlich sicher von Zweifeln befreit: Bitten Sie Ihren Partner oder eine
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