Das Glücksprojekt
ich mich und zücke einen neuen Zettel. »Ich bin ein Keybord Dock«, schreibe ich aus Versehen, streiche dann alles durch und drunter noch mal in schön: »Ich bin im Besitz eines Keybord Docks.« – »Weiß die Schöpferebene dann, dass das zu meinem iPad passen muss?«, frage ich, und Anne ist jetzt sauer. »Wenn du dich nur lustig machst, hören wir auf«, sagt sie und verschränkt die Arme vor der Brust. »Ach komm schon, Anne, ich meine das ernst, sei doch nicht so.« Ich zünde ein Chakra-Räucherstäbchen an und halte es ihr unter die Nase. »Da, das beruhigt«, vermute ich, und da muss sie lachen. »Tut es nicht«, antwortet sie und nimmt mir das Stäbchen aus der Hand. »Es reinigt die Aura, du Nase.«
»Also«, Anne tippt auf meinen Zettel. »Schreibe noch dahinter ›oder etwas Besseres‹, damit nicht die Formulierung deines Wunschs etwas blockiert, das vielleicht toller ist. »Du meinst, es könnte auch passieren, dass mir das Universum immerwährende Glückseligkeit schenken will, es aber nicht tut, weil ich Blödmann nur ein iPad wollte?« – »Genau«, sagt Anne.
»Jetzt musst du dir vorstellen, dein Wunsch wäre erfüllt, als wäre es schon passiert«, doziert Anne. »Mit Keybord Dock oder ohne?«, frage ich nach, aber da verfinstert sich schon wieder ihre Miene und ich halte die Klappe und stelle mir vor, wie ich vor meinem neuen iPad sitze.
Anne sieht mich ernst an. »Das wird dir jetzt schwerfallen«, sagt sie und lehnt sich nach vorne. »Du musst absolut darauf vertrauen, dass der Wunsch in Erfüllung geht. Wenn du zweifelst, wirkt das wie eine Negation, du musst in den Schöpfer vertrauen. Und dann sprich den Wunsch laut aus.«
Ich schließe die Augen und stelle mir vor, es ist Weihnachten, wie in meiner Kindheit. Ich habe vorher heimlich in den Schrank gelinst, wo die Geschenke aufbewahrt werden. An der Ecke eines Päckchens kratze ich ein bisschen das Papier auf und darin ist: mein iPad. Sie mögen jetzt vielleicht einwenden: »Was soll ein Kind mit einem iPad anfangen?«, aber es ist ja meine Vorstellung, machen Sie sich ruhig Ihre eigene. Als ich mir sicher bin, dass ich das Geschenk nachher unter dem Baum finden werde, sage ich laut: »Ich bin in Besitz eines wunderschönen iPads.« Und öffne die Augen wieder. Anne sieht mich zufrieden an. »Gut«, sagt sie. »Fertig.«
»Fertig?«, frage ich verwundert. »Und was mache ich jetzt mit meinem Zettel? Ich dachte, den vergraben wir bei Vollmond oder verbrennen ihn, damit der Rauch ins Universum steigt oder so etwas.« Anne sieht mich belustigt an. »So ein Quatsch«, sagt sie und schmeißt meinen Zettel ganz pietätlos in den Papiermüll.
An diesem Abend kocht L. uns Ente mit Klößen, ich schenke uns ein Glas Wein ein und summe vor mich hin. »Und wie war’s bei Anne?«, fragt L., während er die Klöße formt. »Schön«, sage ich. »Ich bekomme ein iPad!« L. hält verwundert inne. »Von Anne?«
»Nein«, ich schüttle den Kopf. »Vom Universum.«
»Ah«, sagt L. und sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Ich erzähle ihm von meinem Wunsch ans Universum und den Regeln und der Schöpfungsebene. Und von meinem Zweifel, ob ich das richtig hinbekommen habe, ich bin ja schließlich ein Amateur im Universums-Wunsch-Geschäft.
L. hebt langsam die Klöße aus dem kochenden Wasser. »Keine Sorge«, sagt er. »Du weißt doch«, und da dreht er sich um und hält mir seinen Schöpflöffel vor die Nase, »vor dem Schöpfer sind wir alle gleich.«
Bis jetzt ist das iPad noch nicht hier angekommen.
Geld macht nicht glücklich – oder?
Mir etwas Luxuriöses leisten, das ich nicht brauche
Mir etwas kaufen, das ich wirklich brauche und mir nie geleistet habe
Geschenke machen
Ich unterhalte mich mit meinem Stiefvater über Geld. Er hat nämlich welches und ist da klar im Vorteil. »Aber Geld macht nicht glücklich«, schreie ich bei offenem Verdeck in sein Ohr. »Macht es doch«, schreit er zurück und lässt im Autobahntunnel den Motor seines neuen Porsche aufheulen.
Und vieles weist darauf hin, dass er nicht ganz unrecht hat. Die Leute in reichen Ländern sind glücklicher als die Einwohner von Simbabwe oder Tansania, und nur ein Vollidiot käme angesichts eines hungernden Kindes aus einem Entwicklungsland auf die Idee zu sagen: »Geld macht nicht glücklich.« Der allgemeine Konsens scheint zu sein: Zufriedener ist, wer über ein abgesichertes Grundeinkommen verfügt, auch im Alter. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht,
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