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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Reinwarth
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wäscht er und spült ab. Unter dem Wohnwagen lebt außerdem eine Kolonie von kleinen Hunden in Pinschergröße, alle mit Unterbiss. Ein scheußlicher Haufen. Da das Onkelchen jetzt kein Bilderbuch-Onkel ist, den man einfach gernhaben muss, sondern ein sehr bärbeißiges und unwirsches kleines Kerlchen, halte ich mich dort immer so kurz wie möglich auf. Und spätestens seit ich einen totalen Anschiss kassiert habe, weil ich ihm vorschlug, in eine Wohnung zu ziehen, versuche ich es so hinzudrehen, dass L. bei ihm vorbeifahren muss.
    Ich hatte mich eher mit einem süßen Waisenkind auf dem Arm gesehen, das mir vor Dankbarkeit ein Küsschen auf die Backe drückt – das Onkelchen kann man nicht herzen. Das beißt nämlich. Und dankbar ist es auch nicht – da macht doch die gute Tat nur halb so viel Spaß. L. nennt meine Überlegungen egoistisch, aber hey! Ich bin auch keine Heilige! Anne findet es eigenartig, dass man sich per Internet oder Agentur aussuchen kann, wo man hilft. »Das ist, als würde man im Katastrophenkatalog blättern – mal sehen, welches Elend mir am meisten Spaß macht.«
    »Aber es ist sehr praktisch, wenn man wissen will, wo man helfen kann«, entgegne ich. »Ja«, sagt Anne, »aber wer sich in seinem Umfeld umsieht, braucht gar keine Agentur.« Ich seufze: »Wenn ich mich umsehe, sehe ich das Onkelchen.«
    »Na, komm«, Anne klopft mir auf die Schulter. »So schlimm wird es schon nicht sein.«
    Es ist aber viel schlimmer.
    Bepackt mit ein paar Tüten voller Einkäufe, einigen Mülltüten und meinem besten künstlichen Lächeln stehe ich ein paar Tage später vor dem Tor. Ich hätte Gummistiefel anziehen sollen, denke ich, und da kommt auch schon der Onkel angewackelt. Klein ist er geworden, er reicht mir höchstens bis zur Brust, er geht gebeugt und sehr, sehr langsam. In sicherem Abstand folgt ihm seine kläffende Hundebande. Wie lange war ich schon nicht mehr hier? Schlechtes Gewissen macht sich in mir breit. »Was willst du?«, schreit er mir unwirsch aus ein paar Meter Entfernung zu. Und schon habe ich kein schlechtes Gewissen mehr.
    »Ich wollte mal sehen, wie es dir geht«, rufe ich zurück. Der Onkel bleibt stehen. »Gut!«, und macht Anstalten, sich wieder umzudrehen. »Kann ich reinkommen?«, rufe ich hinterher. Er kneift die Augen zusammen und sieht mich prüfend an, seine Hunde auch. Die härteste Türstehertruppe der Welt. »Hmhm«, sagt er und schlurft wieder Richtung Wohnwagen. Ich schlüpfe durchs Tor und hole ihn ein. »Das sind mehr Hunde geworden, oder?«, versuche ich Konversation zu machen und deute auf zwei Welpen, die um die anderen herumspringen. »Nein, es sind vier«, brummelt der Onkel. Ich zähle durch und komme auf sechs. »Ich glaube, es sind sechs«, sage ich und deute auf die kleinen Monster, die um uns herumlaufen. »Vier«, sagt der Onkel und damit ist die Diskussion beendet. Auf seiner Terrasse packe ich die Einkäufe aus. Brot und Milch, ein paar Dosen Ravioli, Obst, Seife und Schokolade. In meiner Vorstellung freut sich der kleine Alte, wir trinken einen Kaffee auf seiner Terrasse und dann fahre ich wieder nach Hause, zufrieden und erfüllt. Ich würde in Zukunft jede Woche etwas zu Essen vorbeibringen und den Müll mitnehmen. Vielleicht könnte ich dieses Fleckchen sogar in etwas Hübsches verwandeln. Wenn man ein paar Pfeiler in den Boden macht und die Planen daran aufhängt, wenn man den Wohnwagen streicht, der Terrasse einen Holzboden baut und vielleicht diese Schaumstoffmatratzen wegschmeißt? Ich sehe mich um und stelle mir vor, wie es hier aussehen könnte. Kurz bevor ich mir ein Lagerfeuer, eine bunte Lichterkette, ein Sommerfest und den Onkel mit Gitarre unterm Arm vorstellen kann, der Hotel California singt, höre ich ihn murmeln: »Das brauche ich alles nicht.«
    Er sieht die Tüten mit den Einkäufen durch. Fragend hält er mir die Rolle Mülltüten hin: »Und die, was soll ich mit denen?« Ich deute vage um mich: »Ich dachte, wir könnten ein bisschen – ausmisten«, antworte ich und bin froh, dass mir nicht statt »ausmisten« »alles wegschmeißen« rausgerutscht ist. Aber der alte Mann ist schon in seinem Wohnwagen verschwunden und rumpelt darin herum. Ob er mich jetzt einfach hier stehen lässt? Kurz darauf kommt er wieder angewackelt und streckt mir sein Handy entgegen. Das piept nämlich, wenn er es auflädt. Ob ich mich damit auskenne? Endlich kann ich mich als nützlich erweisen, mit Handys umgehen kann ich, zumindest besser als das

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